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Absolutistische Wirtschaft: der Merkantilismus 93 M3 Adam Smith kritisiert den Merkantilismus Der schottische Nationalökonom Adam Smith fordert eine vom Staat nicht gelenkte Wirtschaft. Im Buch „Der Wohlstand der Nationen“ urteilt er über den Merkantilismus: a.) Wollte man den Reichtum eines Landes dadurch zu erhöhen versuchen, dass unnötig viel Gold und Silber eingeführt oder im Lande gehalten wird, so wäre dies ebenso töricht, wie wenn man einer Familie dadurch zu einer besseren Tafel verhelfen wollte, dass man sie zwingen würde, sich überflüssiges Küchengerät zu halten. b.) Es kann nach alledem nicht schwer fallen zu erkennen, wer letztlich die Urheber dieses ganzen Handelsund Merkantilsystems gewesen sind. Ganz sicher können es nicht die Konsumenten gewesen sein, denn deren Interessen hatte man völlig vernachlässigt. [...] Die wirtschaftspolitischen Eingriffe des Merkantilismus [...] haben in ganz besonderem Maße die Interessen unserer Manufakturbesitzer geschützt. Ihnen ist nicht nur das Wohl des Verbrauchers, sondern weit mehr noch das Interesse anderer Gruppen von Produzenten geopfert worden. c.) Gibt man alle Systeme der Begünstigung und Beschränkung auf, so stellt sich ganz von selbst das einsichtige und einfache System der natürlichen Freiheit her. Solange der Einzelne nicht die Gesetze verletzt, lässt man ihm völlige Freiheit, damit er das eigene Interesse auf seine Weise verfolgen kann und sein Erwerbsfleiß und sein Kapital im Wettbewerb mit jedem anderen oder einem anderen Stand entwickeln oder einsetzen kann. Der Herrscher wird dadurch vollständig von einer Pflicht entbunden, bei deren Ausübung er stets unzähligen Täuschungen ausgesetzt sein muss und zu deren Erfüllung keine menschliche Weisheit oder Kenntnis jemals ausreichen könnte, nämlich der Pflicht oder Aufgabe, den Erwerb privater Leute zu überwachen und ihn in Wirtschaftszweige zu lenken, die für das Land am nützlichsten sind. Adam Smith, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen, hrsg. u. übersetzt von Horst C. Recktenwald, München 132013, S. 356 f., 559 und 582 1. Zählen Sie auf, welche Nachteile Adam Smith am Merkantilismus sieht. 2. Der Einfluss des Staates auf die Wirtschaft wird bis heute diskutiert. Stellen Sie die Ideen von Colbert und Smith gegenüber und ziehen Sie Parallelen zur Gegenwart. 3. Bewerten Sie die Vorschläge von Adam Smith und nehmen Sie dabei die Position a) eines Manufakturbetreibers, b) eines Fernhandelskaufmanns, c) des absoluten Monarchen eines Landes oder d) einer Manufakturarbeiterin ein. M4 „Der neue Merkantilismus“ Eine Neuauflage merkantilistischer Wirtschaftspolitik erkennt 2008 ein Journalist in heutigen autoritären Regimen: Man stelle sich vor, die Bundesregierung beschlösse, die deutsche Automobilindustrie zum strategischen Sektor zu erklären und die Aktienmehrheit an allen großen deutschen Herstellern zu erwerben. Sodann würde sie die Unternehmen zu einem neuen Großkonzern namens „Bundesautomobil AG“ mit Sitz in Berlin verschmelzen. Chef des neuen Gebildes wäre eine Vertrauensperson der Regierung, der Aufsichtsrat würde mit verdienten Parteigängern besetzt. Für die Bundesrepublik mag das eine krude Vision sein. Doch es ist genau das, was sich in Russland unter [...] Wladimir Putin ereignet hat: Wichtige Wirtschaftszweige wie der Energiesektor oder die Metallurgie wurden zu strategischen Branchen erklärt und nach und nach in Dependancen des Kreml verwandelt. Nur noch der Form nach ist das Putin’sche Modell marktwirtschaftlich, denn mit freiem Wettbewerb [...] hat es nicht viel gemein. Erlaubt ist, was der Regierung nützt. Ein ähnliches Modell hat es in der Geschichte schon gegeben: Es nennt sich Merkantilismus und stellt die dominierende Wirtschaftsform des Absolutismus [...] dar. Das Bemerkenswerte ist der Erfolg, den Putin mit seinem neuen Merkantilismus vorweisen kann. [...] Die Wirtschaft wächst, das Staatsgebilde ist konsolidiert, die Armee erfreut sich neuen Ansehens, und der Lebensstandard der Mittelschicht steigt. Menschenrechte, Pressefreiheit und Demokratie allerdings befinden sich im Abschwung. Russland ist nicht das einzige Beispiel für eine merkantilistische Renaissance. Auch China, wiewohl es nach außen gern den Eindruck eines kapitalistischen Dorados erweckt, entwickelt sich in diese Richtung. Die großen Konzerne der Volksrepublik sind eng mit der Führung in Peking verzahnt. Das gilt zumal für strategische Sektoren wie Öl und Gas oder Luftund Raumfahrt. [...] War nach dem Fall der Mauer die Kombination von Demokratie und Marktwirtschaft ein Exportschlager, so beginnt sich nun der Spieß umzudrehen. Gerade für Staaten im Umbruch könnte das merkantilistische Modell eines starken Staates das neue Leitbild werden. [...] Wie der absolutistische wird auch der autoritäre Merkantilismus irgendwann an seinen eigenen Schwächen, an überbordender Bürokratie, Missmanagement und Cliquenwirtschaft zugrunde gehen. [...] Daniel Eckert, Der neue Merkantilismus. Der unheimliche Erfolg autoritärer Regime, in: Die Welt vom 14. April 2008 1. Erörtern Sie die genannten Parallelen zwischen Merkantilismus und der Wirtschaftspolitik Russlands und Chinas. 2. Beurteilen Sie, welche Gefahren in dieser Politik liegen. 5 10 15 20 25 5 10 15 20 25 30 35 N u r zu P rü fz w e c k e E ig e n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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