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103 5 10 15 20 25 30 Dienstmädchen 5 10 15 20 25 5 10 15 20 25 30 30 Am ungünstigsten unter allen Dienenden stehen die Mädchen für alles da. Bei ihnen beträgt der Anteil derjenigen, die länger als 16 Stunden täglich in die Tretmühle häuslicher Verrichtungen eingespannt werden: 58,5%. Oscar Stillich, Die Lage der weiblichen Dienstboten in Berlin, Berlin/Bern 1902, S. 113 ff. 4 „Früh aufstehen …“ Aus dem Arbeitsplan eines Dienstmädchens: Sie muss um 6 Uhr früh aufstehen […], muss Feuer machen, Heißwasser besorgen, Essund Herrenzimmer reinigen, erstes Frühstück kochen, die Kinder anziehen helfen und in die Schule besorgen, Schuhe und Kleider reinigen, Kinderund Schlafzimmer säubern und in Ordnung bringen, einholen – das ist noch eine Erholung, denn im Grünkramladen, beim Schlächter und beim Kolonialwarenhändler wird meist ein wenig geschwatzt –, Gemüse und Obst putzen, Mittag bereiten, Fleisch und Speisen braten, servieren – und nach dem Essen sofort abwaschen. Nur in ganz wenigen Familien darf das Mädchen sich beim Essen ein wenig aus ruhen. Gewöhnlich muss sie sofort Kaffee kochen, dann die Küche auf wischen und ordnen, und nachher sofort Strümpfe stopfen, kleine Stücke waschen und plätten, einkochen oder mit den Kindern spazieren fahren […] Nach der Ausfahrt heißt es Abendbrot besorgen, decken, abräumen und abwaschen […] Und dann nur alle 14 Tage „freien Sonntag“, d. h. einen Nachmittag lang von 4 bis 10 Uhr darf sie ausgehen, darf sie Schritte machen, die nicht von anderen befohlen sind. Hans Ostwald, Kulturund Sittengeschichte Berlins, Berlin 1910, S. 313 f. (gestrafft) 3 „Mädchen vom Lande“ Der Wirtschaftswissenschaftler Oscar Stillich untersuchte um 1900 die Lage der Berliner Dienstmädchen: Die Dienstboten bilden bei uns einen Berufsstand von 1,3 Millionen Menschen; von diesen entfällt ca. der 20. Teil auf Berlin. Als die größte Stadt in Deutschland hat sie absolut, wenn auch nicht relativ, die größte Dienstbotenhaltung […]. Wir sahen, dass die große Masse der Dienstboten, nämlich 96 %, aus ledigen Mädchen besteht. Sie treten in jugendlichem Alter, teilweise noch als Kinder, in den Dienst ein und sind mit ca. 30 Jahren verbraucht. Der Dienstbotenberuf ist nur eine Episode in ihrem Dasein […] Was die Herkunft der Mädchen anbelangt, so ergab sich, dass jährlich über 40 000 Mädchen nach Berlin kommen […] Die Ansprüche dieser aus kulturell wenig entwickelten Gebieten kommenden Mädchen sind gering […] Das Mädchen vom Lande ist heute der Typus des Berliner Dienstmädchens […] Von den Dienstmädchen […] arbeitet etwa die Hälfte länger als 16 Stunden, nämlich 51,5%, die andere kleinere Hälfte arbeitet 12-16 Stunden und nur etwa 2% weniger als 12 Stunden. 1 „Niedere Dienste“ Der Historiker Thomas Nipperdey schreibt über das Dienstpersonal: Schließlich gehört zu der bürgerlichen Familie etwas, was eigentlich gerade außerhalb ihrer steht […]: das Dienstper sonal oder klassisch: das „Dienstmädchen“. Das ist in gewisser Weise nicht neu […], aber in der neuen bürgerlichen Kernfamilie, die nicht mehr Produktionsund Reprä sentations gemeinschaft ist, sondern Kon sumund Ausbildungsgemeinschaft, ist das doch neu: das Mädchen anstelle der Magd, die Hausangestellte anstelle des Ge sindes […] Haushaltsführung und Lebensstil und auch Kindererziehung einer breiten bis tief in die mittleren Bürgergruppen reichenden Schicht ist von dieser Tatsache bestimmt. 1871 hatten in Berlin immerhin 17,3% der Haushalte Dienstpersonal, in Ham burg 21,6%, in Bremen 24%, 1882 jeder vierte Lehrer haushalt (also ein schließ lich der Masse der wenig verdienenden Volks schul lehrer), und in der Jahrhundert mitte hat der besser verdienende Hand werker wie Krämer Dienst mädchen […]. Bei der bürgerlichen Familie waren die „niederen Dienste“ delegiert, die Kinder wuchsen in einer Atmosphäre des Bedient werdens und des Anordnens und Befehlens auf. Thomas Nipperdey, Deutsche Geschichte 1800-1866, München 1983, S. 123 2 Im Dienst. Foto, um 1912. 4743_097_112_q7.qxd 12.08.2016 8:04 Uhr Seite 103 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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