Volltext anzeigen | |
167 Eine verpasste Chance Die Hoffnung der deutschen Regierung, Vorteile aus dem Streit der anderen Kolonialmächte ziehen zu können, schien sich 1898 zu erfüllen. In Afrika standen sich französische und britische Kolonialinteressen scheinbar unversöhnlich gegenüber. Während Großbritannien versuchte, einen zusammenhängenden Kolonialbesitz „vom Kap bis Kairo“, also von der Kapkolonie aus über Britisch-Ostafrika und den ägyptischen Sudan bis Ägypten, zu errichten, bemühte sich Frankreich um eine Landbrücke zwischen Dakar (Senegal) im Nordwesten und Dschibuti (Somaliland) an der Ostküste. Der Blick auf die Landkarte zeigt, dass sich die Ziele der beiden Kolonialmächte kreuzen mussten. Zur Krise kam es, als die Franzosen im Sudan militärische Stützpunkte errichteten. Im Juli 1898 trafen bei Faschoda französische und britische Truppen aufeinander. Als die Briten den soforti gen Abzug der Franzosen aus ihrem „Interessengebiet“ verlangten, schien ein Krieg zwischen den beiden Groß mächten unvermeidbar. In dieser angespannten Lage war die britische Regierung bereit, ihre bisherige Politik der „splendid isolation“ aufzugeben. Sie bot dem Deutschen Reich Bündnisverhandlungen an. Doch in Berlin gingen Kaiser und Regierung nicht darauf ein. Angesichts des Flottenbauprogramms und der Erwartung, die außenpolitischen Möglichkeiten des Deutschen Reiches könnten nur besser werden, wollten sie sich nicht binden. Für die deutsche Politik war der britisch-französische Ausgleich ein schwerer Schlag. Beide Mächte ließen sich damit kaum noch gegeneinander ausspielen. Gegen den Widerstand der beiden Großmächte schien es für das Deutsche Reich unmöglich, seinen Kolonialbesitz zu vergrößern. Friedrich von Holstein, ein hoher Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, sagte: „Jetzt haben wir die Bescherung. England und Frankreich werden uns schwerlich angreifen […], aber wir sind außerstande, irgendwelche überseeischen Erwerbungen zu machen. Ich verlange solche Erwerbungen nicht, aber eine Masse Leute schreien danach und wundern sich, dass für Deutschland nichts abfällt.“ Die europäischen Bündnisse ändern sich Faschoda 1 Die Faschoda-Krise. Karikatur von 1898. Der Zeichner hat ein Märchenmotiv verwendet. Im Bett liegt der Wolf Albion, so der dichterische Name für England, und wartet auf… Ergänze die Aussage. Vergleiche die Karikatur mit Abb. 1, Seite 158. Rivalen finden einen Ausgleich Während der Kaiser, Militärs und Minis ter darauf beharrten, dass ohne Deutschland „in der Ferne […] keine große Entscheidung mehr fallen“ dürfe, näherten sich Großbritannien und Frankreich an. Angesichts der zahlreichen kolonialen Probleme in Südafrika und Asien bemühte sich die britische Regierung, die Meinungsverschiedenheiten zu bereinigen. Ers ter Höhepunkt der Annäherung wurde das 1904 vereinbarte „herzliche Einvernehmen“ (franz. Entente cordiale) der beiden Mächte. Die Entente beseitigte alle kolonia len Streitpunkte. Frankreich erkannte Ägypten als britisches Einflussgebiet an und erhielt dafür freie Hand in Marokko. 4743_161_176_q7.qxd 12.08.2016 8:10 Uhr Seite 167 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |