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drungen. Auf Anordnung der Führung waren Richtlinien und Befehle erlassen worden, die internationale Regeln der Kriegführung missachteten: Gefangene genossen keinen Schutz, Kommunisten, Kommissare (Politoffi ziere der Roten Armee) und Juden konnten ohne Einschränkung getötet werden (u M2). In dieser Phase des Krieges begann der Völkermord (Genozid).* Vollstrecker der Verbrechen waren vor allem spezielle Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD, Einheiten aus SS, Gestapo und Polizei, aber auch reguläre Einheiten der Wehrmacht beteiligten sich.** Bis zum Frühjahr 1942 hatte die Sowjetunion 1,5 bis 2,5 Millionen Kriegstote zu beklagen. Darunter waren auch etwa 1,8 von insgesamt 3,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen, die allein während des Russlandfeldzuges im Jahr 1941 in deutsche Hände gefallen und entweder sofort durch systematische Erschießungen ermordet oder unter elenden Bedingungen in Kriegsgefangenenlagern vor Erschöpfung und Hunger gestorben waren. Die Zahl der Toten sollte sich bis Kriegsende auf drei Millionen erhöhen; damit starben über 50 Prozent der insgesamt 5,7 Millionen sowjetischen Kriegsgefangenen in der „Obhut“ der deutschen Armee (Christian Hartmann). Der Ostfeldzug war als Blitzkrieg geplant; die UdSSR sollte innerhalb weniger Wochen besiegt werden. Diese Zielsetzung erwies sich aber als völlig unrealistisch. Nachschubprobleme, die Weite des Landes und das raue Klima, auf das die Wehrmacht nur unzureichend vorbereitet war, stoppten den deutschen Vormarsch. Darüber hinaus war die Rote Armee unerwartet gut organisiert. Im Dezember 1941 konnte diese eine Gegenoffensive einleiten, der die Deutschen auf Dauer nicht gewachsen waren. In einer Kesselschlacht bei Stalingrad gelang der sowjetischen Armee Anfang 1943 ein überwältigender Sieg, dessen psychologische Wirkung für beide Seiten von großer Bedeutung war. Nachdem die Wehrmacht die Stadt ab August 1942 belagert hatte, war es der Roten Armee bei Wintereinbruch gelungen, die deutschen Linien zu durchbrechen und 200 000 Soldaten einzuschließen. Hitler verbot jeden Ausbruchsversuch, worauf Tausende verhungerten und über 100 000 Soldaten in sowjetische Kriegsgefangenschaft gerieten. Davon sollten nach dem Krieg nur etwa 5 000 Mann nach Deutschland zurückkehren. Anfang Februar 1943 kapitulierte die 6. Armee unter Generalfeldmarschall Friedrich Paulus, nur 25 000 Soldaten hatten zuvor ausgefl ogen werden können. Gegen die tiefe Niedergeschlagenheit in der Bevölkerung versuchte Propagandaminister Goebbels anzukämpfen, indem er zum „totalen Krieg“ aufrief. Doch der Mythos, der den „Führer“ umgeben hatte, war zerstört (u M3). Die deutsche Wirtschaft im Krieg Die NS-Machthaber waren bemüht, die Belastungen für die deutsche Bevölkerung in möglichst engen Grenzen zu halten und alle Kräfte für den Krieg zu bündeln. Niemand sollte Hunger leiden, denn Hitler fürchtete Streiks und innere Unruhen, wie er sie am Ende des Ersten Weltkrieges erlebt hatte. Nicht zuletzt infolge der enormen Gebietsgewinne gelang es, die Zufuhr an Rohstoffen und Lebensmitteln ins Deutsche Reich zu steigern. Rücksichtslos wurden Produktion und Ressourcen aller besetzten Länder für die deutschen Bedürfnisse ausgebeutet. Der private Besitz sollte möglichst nicht angetastet werden. Im Gegenteil, zum Urlaub heimkehrende Soldaten durften, teils unter Umgehung der Zollvorschriften, große Mengen an Lebensmitteln und Verbrauchsgütern in die Heimat mitnehmen. Die Einschränkungen beim Verschicken von Feldpostsendungen wurden aus dem gleichen Grund sehr großzügig gehandhabt, Anzeigen in Übertretungsfällen oft abgewiesen. * Vgl. dazu auch S. 136 ff. ** Siehe ebenda. Völkermord (Genozid): Auslöschung willkürlich defi nierter Gruppen von Menschen unter zumeist extrem brutalen Begleitumständen; der englische Begriff für Völkermord, genocide, geht auf Raffael Lemkin, einen Juristen polnisch-jüdischer Herkunft, zurück, der ihn im Jahr 1944 prägte; das Wort „Genozid“ setzt sich aus dem griechischen genos (Stamm, Rasse, Volk) und dem lateinischen cadere (töten) und dem Suffi x -cide zusammen; Beispiel für Genozide in der Geschichte sind der Holocaust sowie der Völkermord an den Armeniern während des Ersten Weltkrieges. Einsatzgruppen: Sondereinheiten, die nach dem Einmarsch in besetzte und eroberte Gebiete, so etwa in Polen und in der Sowjetunion, die „Bekämpfung der Reichsfeinde“ übernehmen sollten. Bereits in Polen sowie dann vor allem in der Sowjetunion geschah dies primär durch Erschießungen – auf sowjetischem Gebiet ermordeten die Einsatzgruppen, die mit der Wehrmacht ins Land kamen, vermutlich über eine Million Menschen, vor allem jüdische Männer, Frauen und Kinder (vgl. S. 138 f.). 131Der Zweite Weltkrieg Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C .B uc hn er V rla gs | |
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