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171Deutschland und die geteilte Welt nach 1945 Moskaus Einfl uss wächst Stalin hatte während des Zweiten Weltkrieges keinen Zweifel daran gelassen, dass er aus Sicherheitsgründen Ostmitteleuropa als sowjetisches Einfl ussgebiet betrachtete. Estland, Lettland und Litauen sowie Teile Finnlands, Polens, Rumäniens, Ostpreußens und der östlichen Tschechoslowakei wurden von sowjetischen Truppen besetzt und sowjetischer Verwaltung unterstellt. Damit wurden etwa 23 Millionen Menschen in die Sow jetunion eingegliedert. Auf den Kriegskonferenzen hatten die beiden Westmächte das Sicherheits interesse der UdSSR respektiert. Die westlichen Regierungen forderten aber freie und geheime Wahlen in dem erweiterten sowje tischen Einfl ussbereich. Das Bekenntnis der Sowjetunion zum „Selbstbestimmungsrecht der Völker“ in der UN-Charta stützte diese Forderung. Der „Eiserne Vorhang“ Doch die praktische Außenpolitik Sta lins sah anders aus. In Polen setzte er eine von ihm abhängige „provisorische“ Regierung ein. Damit versuchte er, die Ansprüche der polnischen Exilregierung, die sich noch in London aufhielt, zu unterlaufen. In dieser Phase verwendete Churchill den Begriff vom „Eisernen Vor hang“, der von den Sow jets „quer durch den Kontinent“ gezogen worden sei. Moskau beeinfl usste die Zusammensetzung der Regierungen in Polen, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Nichtkommunistische Parteien wurden unterdrückt oder verboten, Wahlergebnisse verfälscht. Nach dem sowjetischen Vorbild enteigneten die Kommunisten in diesen Ländern die Bauern, verstaatlichten die wichtigs ten Industrien und Banken und führten eine zentral gelenkte Planwirtschaft ein. Die von den kommunistischen Parteien beherrschten Volksdemokratien – so die Bezeichnung für die nach sowjetischem Vorbild eingeführte Staatsund Gesellschaftsordnung in Ostmitteleuropa – mussten die Führungsrolle der UdSSR anerkennen. Nur der Vielvölkerstaat Jugoslawien entzog sich unter dem ehemaligen kommunis tischen Partisanenführer Josip Tito dem Einfl uss Moskaus. Er konnte dank fi nanzieller Unterstützung aus dem Wes ten die Unabhängigkeit und außenpo litische Neutralität seines Landes langfristig erhalten. Die amerikanische Antwort Die Ausweitung des sowjetischen Einfl usses machte auch vor Ländern im Fernen und Nahen Osten sowie in Vorderasien nicht halt. Dies rief den Widerstand der Vereinigten Staaten und der westlichen Welt hervor, vor allem der alten Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich. Da die UNO wegen der im Sicherheitsrat fehlenden Einstimmigkeit die sowjetische Ausdehnung nicht stoppen konnten, suchten die Amerikaner nach einer eigenen Antwort. Auf die Absicht der Sowjetunion, auch in der Türkei und Griechenland Fuß zu fassen, reagierte der amerikanische Präsident Truman mit der Containment-Politik (dt. Eindämmungspolitik). Er stellte im März 1947 eine Teilung der Welt in zwei unvereinbare Wirtschaftsund Gesellschaftssysteme fest und versprach jeder Nation, die sich für die demokratische Lebensweise entscheide, amerikanische Unterstützung (Truman-Doktrin). Ein weiteres Mittel, das sowjetische Machtstreben einzudämmen, war der militärische Zusammenschluss. Auf Initiative der westeuropäischen Staaten wurde am 4. April 1949 in Washington die Nordatlan tische Verteidigungsgemeinschaft (engl. North Atlantic Treaty Organization: NATO) gegründet. Die zwölf Gründungsmitglieder erklärten es zu ihrem Ziel, gemeinsam „Frieden und Sicherheit im nordatlantischen Raum zu schützen und Stabilität und Wohlstand dort zu entwickeln“. Die Teilung der Welt 1 Die Illusion des „One-WorldGedankens“. Karikatur aus dem „St. Louis Post-Dispatch“ vom 12. März 1946. 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 171 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um de s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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