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873.1 Die angebotsund nachfrageorientierte Wirtschaftspolitik Die an der keynesianischen Theorie orientierte Wirtschaftspolitik der Bundesregierung in den 1960er und 70er Jahren war nie unumstritten. Sie wurde zum Konfliktgegenstand zwischen eher an den Arbeitnehmerinteressen orientierten Parteien (vor allem die SPD) und Gewerkschaften einerseits und Parteien (Teile der CDU/FDP) und Unternehmerverbänden andererseits. Letztere waren vorrangig an guten Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen, d.h. niedrige Zinsen für Kredite zur Finanzierung von Investitionen und stabile Preisen, um Waren auf den Märkten der Welt gut verkaufen zu können, interessiert. Seit den 1970er Jahren wurde eine Reihe von Risiken der antizyklischen Fiskalpolitik deutlich, die auszugsweise in dem folgenden Text dargestellt werden. Bearbeiter M7 Risiken und Nachteile der antizyklischen Fiskalpolitik Vernachlässigung der Preisniveaustabilität Das Beschäftigungsziel genießt im Rahmen der antizyklischen Fiskalpolitik Priorität gegenüber der Inflationsbekämpfung. In der Bundesrepublik Deutschland ging die auf der Globalsteuerung beruhende Vollbeschäftigungspolitik Anfang der 1970er Jahre tatsächlich mit relativ hohen Inflationsraten zwischen 5,3 % (1971) und 7,0 % (1974) einher. Zunahme der Staatsverschuldung (strukturelle Haushaltsdefizite) Die durch staatliche Kreditaufnahme finanzierten Konjunkturprogramme zur Beschäftigungsförderung (deficit spending) führen zu staatlichen Haushaltsdefiziten. Da diese Defizite in der Hochkonjunktur aus politischen Gründen meistens nicht wieder abgebaut werden, kommt es in der nächsten Rezession zu noch höheren Fehlbeträgen. So entstehen aus einer zunächst unproblematischen, konjunkturell bedingten Staatsverschuldung strukturelle Haushaltsdefizite. Politische Hemmnisse In einer parlamentarischen Demokratie fällt es den politischen Entscheidungsträgern in Zeiten hoher Steuereinnahmen schwer, diese Gelder stillzulegen (Konjunkturausgleichsrücklage) und nicht für Zwecke auszugeben, mit denen sie sich die Gunst der Wähler und damit ihre Wiederwahl erkaufen können. Andererseits sind konjunkturpolitisch notwendige Steuererhöhungen und Verringerungen der Staatsausgaben kurz vor einer Wahl kaum zu erwarten. Ökonomisch sinnvolle Maßnahmen sind somit häufig politisch nicht durchsetzbar. Entscheidungsund Wirkungsverzögerungen (time lags) Die Wirkung antizyklischer Fiskalpolitik tritt häufig erst mit erheblicher zeitlicher Verzögerung (time lag) ein. Vom Zeitpunkt des Eintritts konjunktureller Störungen und deren Wahrnehmung durch die Politiker bis zum Einsatz entsprechender Instrumente und deren Wirksamwerden können mehrere Jahre vergehen. […] Neben der Auswahl der geeigneten Mittel und dem zeitgerechten Einsatz (timing) ist auch die Wahl der richtigen Größenordnung der „Konjunkturspritzen“ (z.B. Senkung der Einkommensteuer um 5 % oder um 10 %?) sehr schwierig. Bei einer geringen Dosierung der Maßnahmen verpuffen die Wirkungen, bei einer Überdosierung wird Initialzündung für ein neues Ungleichgewicht gelegt. Rationales Verhalten der Wirtschaftssubjekte […] Viele konjunkturpolitische Maßnahmen stellen lediglich Anreize dar und wirken nur, wenn sich die Wirtschaftssubjekte erwartungskonform verhalten. […] Unternehmer sehen sich beispielsweise der Situation gegenüber, dass die Steuern gesenkt werden, um Investitionen anzuregen. In der folgenden Konjunkturphase werden nach erfolgter Investitionstätigkeit die Steuern aber wieder erhöht. Das kann dazu führen, dass die Unternehmen bei der nächsten Steuersenkung nicht mit verstärkten Investitionen reagieren, weil sie bereits die nächste Steuererhöhung erwarten. Viktor Lüpertz, Problemorientierte Einführung in die Volkswirtschaftslehre, 7. Aufl age, Braunschweig 2013, S. 404 f. 40 45 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 30 35 Nu r z u Pr üf zw k n Ei g n um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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