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Dô het er gemachet alsô rîche von bluomen eine bettestat. Des wirt noch gelachet inneclîche, kumt iemen an daz selbe pfat. Bî den rôsen er wol mac, tandaradei merken wâ mirz houbet lac. Daz er bî mir læge, wessez iemen, (nu enwelle got!) sô schamt ich mich. Wes er mit mir pfl æge, niemer niemen bevinde daz wan er und ich – Und ein kleinez vogellîn, tanderadei daz mac wol getriuwe sîn‘. Da hatte er bereitet in aller Pracht von Blumen ein Lager. Daran wird sich freuen von Herzen, wer daran vorübergeht. An den Rosen kann er noch – tandaradei – Sehen wo mein Kopf lag. Dass er bei mir lag, wüsste es jemand (da sei Gott vor!), so schämte ich mich. Was er tat mit mir, niemals soll jemand das erfahren als er und als ich – Und die liebe Nachtigall, tandaradei; die wird gewiss verschwiegen sein. 20 25 3 Kläre, wer in diesem Gedicht spricht und worüber gesprochen wird. Bestimme auch den Zeitpunkt des Geschehens. 4 Arbeite am Text heraus, wodurch deutlich wird, dass es sich bei diesem Gedicht um niedere Minne handelt. 5 Erläutere, welche Rolle die Gesellschaft für das lyrische Ich spielt. 6 Vergleiche die Frauenbilder in den Gedichten von Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide. Die sogenannte hohe Minne, der sich beispielsweise der Wiener Hofpoet Reinmar von Hagenau (* etwa 1160, ✝ vor 1210) und anfänglich auch dessen Schüler Walther von der Vogelweide (* um 1170, ✝ um 1230) verpfl ichtet fühlten, folgte strengen gesellschat lichen Konventionen. Die Verehrte war eine verheiratete adlige Dame. Sie verhielt sich stets ablehnend, wodurch das Zustandekommen einer Liebesbeziehung von vornherein ausgeschlossen war. Walther erkannte schon bald die Unnatürlichkeit dieses modischen Spiels. In einem seiner Lieder fragte er: „Sagt mir jemand, was Minne ist?“ und gab selbst die Antwort: „Minne ist zweier Herzen Wonne: Teilen beide gleich, dann ist Minne da.“ Minne sei Minne, wenn sie wohl tue. Tue sie aber weh, so sei es eine „Wahn-Minne“, da sie keine wirkliche Zuneigung zweier Liebender beschreibe, sondern sich nur in verzehrender Klage erginge. In seinen Liedern der niederen Minne fand Walther einen neuen Ton. Darin besang er in stimmungsvollen Naturbildern das Liebesglück, das an keinen Stand gebunden war, denn: „Nie ergrif wahre Liebe solche, die nur nach Vermögen und äußerer Schönheit lieben.“ Viele seiner schönsten Gedichte handeln von der wahren Liebe zwischen Mann und Frau. W IS S E N 20 25 181Sich mit der Entstehung eines literarischen Genres befassen 3670_1_1_2014_156-181_Kap_7.indd 181 07.01.16 14:38 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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