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167 K O M P E T E N Z E N A N W E N D E N Kompetenzen anwenden In den Auseinandersetzungen um das Freihandelsabkommen TTIP gibt es eine Reihe immer wiederkehrender Streitfragen. Die APuZ-Redaktion hat [diese] formuliert und beiden Autoren unabhängig voneinander vorgelegt. Christian Felber, Universitätslektor und Autor, zuletzt von „Freihandelsabkommen TTIP. Alle Macht den Konzernen?“, 2014, Andreas Falke, Professor für International Studies, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Universität Erlangen-Nürnberg. Welchen ökonomischen Nutzen wird ein derartiges Abkommen den EU-Ländern und den USA einbringen? FELBER: Bekanntlich wurden auch andere Freihandelskommen aufgrund von Studien, die Wachstum und Arbeitsplätze herbeiprognostizierten, „durchgedrückt“, und danach kam der Katzenjammer. So sagten Studien über die Auswirkungen vom North American Free Trade Agreement (NAFTA) für Mexiko und Kanada BIPund Beschäftigungszuwächse von 11 Prozent und der Realeinkommen gar um 16 Prozent voraus. […] Allein in der mexikanischen Landwirtschaft ging infolge subventionierter US-Exporte eine Million Arbeitsplätze verloren. Zudem sind Verteilungs-, Nachhaltigkeitsund Strukturfragen in keiner Weise in BIP-Prognosen berücksichtigt. Denn selbst wenn das BIP geringfügig wachsen sollte, könnte dieser Zuwachs einer schmalen Elite zufließen, während die überwältigende Mehrheit leer ausgeht, prekärere Arbeitsbedingungen vorfindet, sinkende Lebensmittelqualität und mehr Umweltprobleme. FALKE: Sehr viel größere Wohlfahrtsgewinne sind bei der Abschaffung von nichttarifären Hemmnissen wie Produktstandards und technischen Normen bezie hungsweise von Regulierungen im Gesundheits-, Umweltund Verbraucherbereich durch Harmonisierung oder gegenseitige Anerkennung zu erwarten. Freihandelsabkommen tun vor allem eins: Sie kurbeln TTIP kontrovers den Export an, senken die Handelskosten und schaffen neue Marktchancen. Welchen geopolitischen Nutzen wird ein derartiges Abkommen den EU-Ländern und den USA einbringen? FELBER: Es gibt eine wachsende Zahl von Beobachtern, die die Bedeutungslosigkeit der EU, auch der USA, auf der weltpolitischen Landkarte vorhersagen. Die Schwellenländer BRICS seien im Kommen, und um diesem Bedeutungsverlust entgegenzuwirken oder ihn zumindest zu verlangsamen, wollen sich die alten Mächte hier einerseits zusammentun und andererseits die Grundlage für spätere multilaterale Abkommen schaffen, sprich Regeln entwickeln, die für die ganze Welt gelten sollen. In den TTIP-Verhandlungen steckt ein Weltmachtsanspruch, der auch immer wieder als „Neue Weltwirtschaftsordnung“ ausgesprochen wird. Vor diesem Hintergrund sind bilaterale Verhandlungen erst recht abzulehnen. Verhandlungen sollten multilateral geführt werden und auf Augenhöhe. Die Kolonialzeit ist vorbei. FALKE: Ein wesentlicher Kontext des geplanten Abkommens ist der Aufstieg der Schwellenländer, insbesondere Chinas, Indiens und Brasiliens [...]. Nur geben sie nur wenige Anstöße zu einer Weiterentwicklung des Welthandelssystems, wie Indiens Blockade des Bali-Abkommens in der Welthandelsorganisation (WTO) zeigt. Eine Reihe von Vordenkern in der Handelspolitik auf beiden Seiten des Atlantiks gehen davon aus, dass die WTO nicht mehr zu revitalisieren ist und dass angesichts des relativen Niedergangs der USA und der EU mittelfristig China diese Lücke füllen und dann Standards setzen wird, die allein seinem Wirtschaftssystem Rechnung tragen werden. TTIP zusammen mit der transpazifischen Partnerschaft (TPP) soll dem zuvorkommen, das heißt die EU und die USA wollen Standards und Regeln etablieren, die der Realität globaler Lieferketten im 21. Jahrhundert entsprechen. Beide könnten 50 55 60 65 70 75 80 85 90 5 10 15 20 25 30 35 40 45 N u r z P rü fz w e c k e n E i n tu m d e s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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