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263Außenpolitik von Bismarck zu Wilhelm II. Das Verhältnis des Reiches zu Russland war nach der großen Orientkrise belastet. Auf dem Berliner Kongress 1878 konnte Bismarck zwar als „ehrlicher Makler“ ohne eigene Gewinnabsichten auftreten und den Konfl ikt zwischen Großbritannien und Österreich auf der einen und Russland auf der anderen Seite beilegen. Doch Russland hatte sich wegen seiner neutralen Haltung in den Kriegen von 1866 und 1870 eine deutliche Unterstützung von deutscher Seite erhofft. Nach dem ungünstigen Verhandlungsergebnis fühlte sich das Zarenreich verraten: Bulgarien, geschaffen als von Russland abhängiger Staat, verlor drei Fünftel des vorgesehenen Gebietes und den Zugang zum Mittelmeer. Die eigenen bescheidenen Landgewinne wurden zudem dadurch entwertet, dass auch Österreich-Ungarn seine Position auf Kosten des Osmanischen Reiches stärken konnte: Als Ausgleich für die russischen Erwerbungen erhielt es auf dem Kongress das Besatzungsrecht in Bosnien und der Herzegowina zugesprochen. Innenpolitische Entscheidungen belasteten das Verhältnis zu Russland zusätzlich: Die neue Schutzzollpolitik durch die „konservative Wende“ 1879 führte zu einer Absatzkrise der exportorientierten russischen Landwirtschaft. Aus Angst vor einer russisch-französischen Annäherung vollzog Bismarck 1879 deshalb die bisher bewusst vermiedene Entscheidung zugunsten einer Seite: Der Zweibund mit der Habsburgermonarchie verpfl ichtete beide Länder zu gegenseitiger Hilfe bei einem russischen Angriff. Beim Angriff einer anderen Macht – etwa Frankreichs auf Deutschland – sollte wohlwollende Neutralität gewahrt werden. Der Zweibund mit Österreich-Ungarn wurde 1882/83 durch den Dreibundvertrag mit Italien sowie einen Defensivvertrag mit Rumänien ergänzt. Bismarck betrachtete das Bündnis mit Österreich-Ungarn nur als äußerste Rückzugslinie. Das Gegenüberstehen eines deutsch-österreichischen und eines russisch-französischen Blocks auf dem Kontinent konnte nicht Ziel seiner Außenpolitik sein. Trotz des angespannten Verhältnisses mit Russland gelang Bismarck 1887 der Abschluss des Rückversicherungsvertrages. Nach neuerlichen Spannungen auf dem Balkan wollte Bismarck dem Zarenreich die Angst vor einem deutsch-österreichischen Angriff nehmen und seine Annäherung an Frankreich verhindern, die von der russischen Presse gefordert wurde. Nicht den Buchstaben, aber ihrem Geist nach standen Zweibund und Rückversicherungsvertrag in einem gewissen Spannungsverhältnis. Bismarck ermutigte Russland zu einer Politik, den Status quo im Südosten Europas zu verändern. Österreich-Ungarn dagegen wollte keine Veränderung, um die slawischen Völker in seinem Staatsverband zu halten. Doch die im November 1887 getroffene Entscheidung, Russland nicht mehr dringend benötigte Kredite von deutschen Banken gewähren zu lassen („Lombardverbot“), bereitete die spätere Annäherung zwischen Russland und Frankreich mit vor, da Frankreich die benötigten Anleihen anbot. Die gewünschte Intensivierung der Beziehungen zu Großbritannien gelang Deutschland durch den Abschluss der sogenannten „Mittelmeerentente“ 1887: Das Deutsche Reich unterstützte den Geheimvertrag, durch den sich Großbritannien, ÖsterreichUngarn und Italien auf die Aufrechterhaltung des Status quo im Mittelmeerraum und i Der Balkan vor und nach dem Berliner Kongress 1878. p Erklären Sie, wie sich die Ergebnisse des Berliner Kongresses und des Vorfriedens von San Stefano unterscheiden. SERBIEN Albanien Konstantinopel Belgrad Bukarest Sofia (tributpflichtig) B U LG A R I E N GRIECHENLAND I TA L I E N Ä g ä i s S c hw a r z e s M e e r RUMÄNIEN ÖSTERREICHUNGARN RUSSLAND OSMANISCHES REICH D on au Makedonien Ostrumelien (1878 auton. Provinz) (rumän.) (russ.) Bessarabien Ad r i a t . M e e r MONTENEGRO Bosnien (1878 österr. besetzt) Herzegowina Sandschak Nowipasar Donau Osmanisches Reich Selbstständig gewordene Staaten Gebietsgewinne 1878 österr. besetzt Grenze Bulgariens nach d. Frieden v. San Stefano Berliner Kongress: Auf ihm wurde eine neue Ordnung in Südosteuropa festgelegt. Dadurch wurde ein Friedensvertrag zwischen Russland und dem Osmanischen Reich außer Kraft gesetzt, der einen größeren Einfl uss des Zarenreiches bedeutet hätte. Rückversicherungsvertrag: Das Deutsche Reich und Russland verpfl ichteten sich 1887 zu Neutralität. Diese sollte bei einem russischen Angriff auf Österreich-Ungarn oder einem deutschen auf Frankreich nicht gelten. Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn r V er la gs | |
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