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411Die doppelte Staatsgründung Entnazifi zierung in der SBZ Die Entnazifi zierung in der Sowjetischen Besatzungszone betraf über eine halbe Million ehemaliger Nationalsozialisten in Justiz, Schule, Verwaltung und Industrie. Sowjetische Militärtribunale haben schätzungsweise 45 000 Personen verurteilt und etwa ein Drittel von ihnen in Zwangsarbeitslager deportiert. Betroffen waren nicht nur NS-Täter, sondern auch viele Gegner des Kommunismus. Dagegen wurden bereits frühzeitig die ehemaligen kleinen Parteimitglieder von einer Bestrafung ausgenommen, um sie möglichst rasch in die neuen Verhältnisse zu integrieren. Weit umfassender als das systematische Vorgehen gegen missliebige Personen waren die zur selben Zeit durchgeführte Bodenreform* sowie die Enteignung und Verstaatlichung der großen Indus triebetriebe. Als „strukturelle Entnazifi zierung“ sollten diese Maßnahmen jeden Rückfall in den Nationalsozialismus verhindern. Politische Parteien in Ostdeutschland Die Sowjets gestatteten noch vor Beginn der Potsdamer Konferenz als Erste in ihrem Machtbereich die Gründung politischer Parteien (10. Juni 1945). KPD, SPD, CDU und LDPD (Liberal-Demokratische Partei Deutschlands) schlossen sich bereits einen Monat später zur „Einheitsfront der antifaschistischdemokratischen Parteien“ (Antifa-Block) zusammen. Schon bald förderte die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) einseitig die Kommunistische Partei. Die KPD war jedoch wegen ihrer Nähe zur Besatzungsmacht in der Bevölkerung unbeliebt. Nach katastrophalen Wahlniederlagen der Kommunisten in Österreich und Ungarn suchte deshalb die KPD den Zusammenschluss mit der SPD, um damit ihren vermeintlich schärfsten Konkurrenten auszuschalten. Kurt Schumacher warnte vor der Fusion, und auch die SPD in der sowjetischen Zone wollte darüber zunächst nur auf einem gesamtdeutschen Parteitag entscheiden. Der Besatzungsmacht gelang es mit Drohungen, Redeverboten und Verhaftungen, auch durch Überredung führender Sozialdemokraten der sowjetischen Zone, den Widerstand zu brechen. Schließlich stimmten Otto Grotewohl und die Spitze der Ost-SPD auf dem „Vereinigungsparteitag“ in Berlin am 21./22. April 1946 geschlossen für die Vereinigung der beiden Arbeiterparteien zur „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“ (SED) (u M2). Obwohl die sowjetische Militärregierung die CDU und LDPD in der Folgezeit massiv benachteiligte, erhielten die bürgerlichen Parteien bei den Kreisund Landtagswahlen vom 20. Oktober 1946 mehr als die Hälfte der Stimmen. In Berlin, wo die SPD noch kandidieren durfte, wurde die SED mit 19,8 Prozent der Stimmen nur drittstärkste Partei. Die Sowjets verstärkten daraufhin ihren Druck auf alle zugelassenen Parteien. Die SED selbst wurde zu einer „Partei neuen Typus“ nach stalinistischem Modell umgebildet und von oppositionellen Kräften „gesäubert“. Etwa 6 000 Sozialdemokraten wurden von sowjetischen Militärgerichten als „Agenten“ verurteilt und in Arbeitslager gebracht. Rund 100 000 Sozialdemokraten fl ohen in den Westen. * Siehe Seite 403. Otto Grotewohl (1894 1964): 1945 Mitbegründer der ostdeutschen SPD, 1946 1954 Vorsitzender der SED (zusammen mit Wilhelm Pieck), 1949 1964 Ministerpräsident der DDR u Propaganda für den Volksentscheid in Sachsen zum „Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegsund Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes“. Foto aus Leipzig, 1946. 1946 wurden die Bürger in Sachsen zu einem Volksentscheid über die Enteignung wichtiger Industrie und Gewerbebetriebe aufgerufen. Zwei Drittel der Bevölkerung stimmten zu. Dies genügte der SED, um die Enteignung auch in allen übrigen Gebieten Ostdeutschlands durchzuführen. Sachsen galt damit für die Partei als „Motor der weiteren antifaschistisch-demokratischen Bewegung“. u Geschichte In Clips: Zur Gründung von SED und DDR siehe Clip-Code 32019-06 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um es C .C .B u hn er V er la gs | |
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