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247 M 4 Die Türkei, Syrien und der NATO-Bündnisfall 45 50 55 60 65 70 Jürgen Liminski: Die Eskalation im Nahen Osten – was muss passieren, damit für die NATO der Bündnisfall eintritt? Cornelius Vogt: Na ja, man muss hier unterscheiden zwischen Theorie auf der einen Seite und Praxis auf der anderen Seite. In der Theorie genügt gewissermaßen der Blick in die Statuten der NATO und insbesondere in den Washingtoner Vertrag und da im ganz Besonderen eben den Artikel fünf, der den Bündnisfall gewissermaßen versucht zu umreißen. Zur Praxis kann man sagen, na ja, es kommt immer auf den Einzelfall an, denn im Washingtoner Vertrag ist ja nur festgehalten, dass die Parteien des Vertrages, also die Mitglieder der NATO, alles tun sollen, um die Sicherheit des nordatlantischen Gebietes wiederherzustellen und zu erhalten, und sie sollen genau das machen, was sie dafür als erforderlich erachten, und genau bei dieser Formulierung stellt sich natürlich ein ganz großes Fragezeichen. Das kann also alles heißen, ich sage mal salopp von der Beileidskarte bis hin zur Entsendung eigener Soldaten zur Verteidigung eines Verbündeten. Jürgen Liminski: Im Fall Libyen wurde zwar der Bündnisfall nicht erklärt, aber dennoch haben NATO-Partner den Rebellen geholfen und damit den Sturz des Diktators beschleunigt. Braucht man überhaupt den Bündnisfall, oder können einzelne NATO-Partner nicht auch ohne Erklärung eingreifen, eben so wie in Libyen? Vogt: Das ist richtig, so wie Sie das beschreiben. Prinzipiell sind natürlich gerade die demokratisch verfassten westlichen Länder auch ihren eigenen Bevölkerungen gegenüber in der Pfl icht, solche Entscheidungen über Krieg und Frieden zu legitimieren, und da gibt es verschiedene Wege: zunächst einmal die Charta der Vereinten Nationen mit dem Artikel 51 und letztlich dem Recht einer jeden Nation, sich selbst zu verteidigen gegen einen Angriff auf die eigene territoriale Integrität. Das ist eine Möglichkeit, so etwas zu legitimieren, und das wäre hier beispielsweise ja schon infrage gewesen mit diesem Zwischenfall an der türkisch-syrischen Grenze. Eine andere Möglichkeit ist, über eine Resolution des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen zu gehen. Das müsste dann eine Resolution sein, in der in irgendeiner Form ein Wortlaut drin sein müsste, der den Einsatz aller notwendigen Mittel, so heißt es dann häufi g, erlaubt, um Sicherheit wieder herzustellen. Nach einer solchen Resolution sieht es momentan im Fall Syrien nicht aus. Die Blockadehaltung von Russland und China dazu ist ja hinlänglich bekannt. Auf der anderen Seite gibt es auch, denke ich, innerhalb des westlichen Bündnisses einige Zurückhaltung, was eine Intervention in Syrien angeht. Interview von Jürgen Liminski mit dem Politologen Cornelius Vogt, www.deutschlandfunk.de, 5.10.2012 5 10 15 20 25 30 35 40 Die NATO-Statuten erlauben die gemeinsame Verteidigung eines Mitglieds des Bündnisses. Nach dem Beschuss des NATO-Landes Türkei durch syrische Granaten könnte dieser Fall theoretisch eintreten. Jürgen Liminski im Gespräch mit dem Politikwissenschaftler Cornelius Vogt von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Aufgaben 1. Erläutere, auf welcher rechtlichen Grundlage eine NATO Intervention in Syrien möglich wäre (M 3, M 4). 2. Diskutiert, ob die NATO in den Syrien-Konfl ikt eingreifen sollte (M 1 – M 4). 9.2 Wie kann der Friede gesichert werden? Nu r z P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V rla gs | |
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