Aufgabenlösungen

Aufgaben zu M1, M2 und M3

1. Wirkung des Bildes:

Die Wirkung des Bildes beruht auf dem befremdlichen Kontrast zwischen dem schockierenden und abstoßenden Anblick des verstümmelten Mädchens und seiner selbstbewussten bzw. herausfordernden Haltung vor der Kamera, die dem Betrachter keine Möglichkeit lässt, sich zu distanzieren. Das Unterrichtsgespräch sollte sich der kognitiven Dissonanzen bedienen, die sich bei den Schülern einstellen dürften, um die dem Porträt innewohnende Spannung und die sich daraus ergebende Wirkung (bzw. Wirkungsabsicht der Fotografin/des Modells?) erst spontan-assoziativ, dann analytisch herauszuarbeiten.

  • vordergründig dokumentarische, auf maximale Realitätsnähe abhebende, das Abstoßende nicht aussparende Darstellung der Verletzung des Mädchens; faktisch jedoch künstlerisch intendierter Einsatz bildästhetischer Mittel
  • schwer auszuhaltendes Spannungsverhältnis zwischen "Anblick" und "Blick" der Porträtierten, verstärkt durch die Aufnahme im Halbprofil
  • symmetrisch angelegter Hell-dunkel-Kontrast von Gesicht, Haar und Hintergrund als dramatisch verstärkendes Element der Bildkomposition
  • traditionelle, muslimische Kleidungstradition (Kopftuch) im Gegensatz zur offensiven Haltung der jungen Frau (in islamisch geprägten Gesellschaften vermeidet die Frau den direkten Blickkontakt zu ihrem männlichen Gegenüber)

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Seite 65

2. Hintergründe von Aishas Schicksal:

Ergänzend zum Text kann eine Landkarte die geografischen Verhältnisse klären. Außerdem sollte - je nach Kenntnisstand der Lerngruppe - auf die Klärung schwieriger Begriffe geachtet werden: "Taliban", evtl. auch "(das) Moment", "Ikone", "Clan".

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3. Aussageabsicht des Titels:

Der Bildtitel "What Happens if We Leave Afghanistan" stellt das individuelle Schicksal "Aishas" in einen (welt-)politischen Kontext, der sich am knappsten durch die Aussage umschreiben lässt: "Wenn die Vereinigten Staaten sich aus dem Engagement für die Demokratisierung Afghanistan zurückziehen, wird es noch viele ähnliche Menschenrechtsverletzungen an Frauen geben." Inwieweit diese Text-Bild-Kombination manipulativ ist, ist Gegenstand der aus dem Text herauszuarbeitenden Kontroverse, die die Schüler zu einer begründeten Meinungsäußerung (politische Urteilskompetenz) anregen soll.
Betrachtet man die sprachliche Form der Aussage, fällt zum einen die den Leser einbeziehende Personalform auf, zum anderen das nicht zwingend nötige, aber dennoch mögliche Fragezeichen, wodurch die Botschaft syntaktisch in der Schwebe gehalten wird zwischen Realis und Potentialis.
Interessant mag schließlich auch die Kritik von feministischer Seite sein, dass hier wieder einmal eine Frau und deren vermeintlich besondere Schutzbedürftigkeit als Legitimation für eine militärische Auseinandersetzung herhalten müsse.

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4. Diskussion:

Siehe Kommentar zu Aufgabe 3.

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5. Titelvergleich Time Magazine und Nationale Geographic:

Dass das "TIME"-Cover als Zitat des 25 Jahre älteren Titelporträts des "National Geographic" gesehen werden kann, liegt auf der Hand und wurde auch von "Aishas" Fotografin bestätigt.

Gemeinsamkeiten:

  • Abbildung junger, vom Leid eines Krieges geprägter Frauen
  • von (scheinbar) ungebrochenem Stolz geprägte Haltung
  • suggestive Wirkung des (fiktiven) Blickkontakts von porträtierter Person und Betrachter
  • Ähnlichkeiten in der Bildkomposition

Unterschiede zum "TIME"-Cover:

  • Darstellung der Person im Vollprofil
  • Verzicht auf Schockeffekte, Betonung des zeitlos Schönen
  • neutraler Bildtitel ("Along Afghanistan's War-torn Frontier")

Ob der Hinweis auf eine weltpolitisch anders gelagerte Situation weiterführt - 1985 hielten die Sowjets Afghanistan besetzt und provozierten den Widerstand der von den USA unterstützten Mujaheddin -, mag offen bleiben. Es ist gewiss zu einfach, in der Art und Weise, wie sich die beiden renommierten Zeitschriften des Themas annahmen, einen unmittelbaren Reflex der jeweiligen nationalen Interessenlage sehen zu wollen. So leicht lässt sich eine freie Presse nicht instrumentalisieren.

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