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113Mit Material arbeiten M7 Träume gehen in Erfüllung Freifrau von Spitzemberg, eine Freun din der Familie Bismarck, notiert unter dem 3. März 1871 in ihr Tagebuch: Vereint zu einem Reiche, dem größten, mächtigsten, gefürch tets ten in Europa, groß durch seine physische Macht nicht allein, größer noch durch seine Bildung und den Geist, der das Volk durchdringt! Jedes deutsche Herz hatte das erhofft, keines geahnt, dass seine Träume sich in dieser Weise, so bald und so herrlich erfüllen würden. Glücklich sind wir, dass wir nicht nur den Stern deutscher Größe und Herrlichkeit aufgehen sahen, sondern dass wir noch jung genug sind, um uns unter seinen Strahlen zu wärmen, um die, so Gott will, recht reichen und segensvollen Früchte zu genießen, die aus dieser unter Blut und Tränen gesäten Saat hervorgehen. Möge Gott den Geist meines Volkes also lenken, dass seine Entwicklung eine friedliche und zivilisatorische bleibe, sein Reich ein Reich des Lichts, der Freiheit, der wahren, christlichen Gesittung sei! Rudolf Vierhaus (Hrsg.), Am Hof der Hohenzollern. Aus dem Tagebuch der Baronin Spitzemberg 1865-1914, München 21979, S. 52 1. Vergleiche die Stellungnahme der Freifrau von Spitzemberg (M7) mit der August Bebels (M8). Erkläre die Unterschiede. 2. Erläutere, was Disraeli befürchtete (M9). Berücksichtige die auf dem Wiener Kongress hergestellte Ordnung (siehe M1, Seite 45). M6 Der Weg zur Reichseinigung 1866-1871. 5 10 15 20 M9 Vor einer neuen Welt? Der britische Regierungschef Benjamin Disraeli sagt am 9. Februar 1871: Dieser Krieg bedeutet die deutsche Revo lution, ein größeres politisches Ereignis als die französische Revolution des vergangenen Jahr hunderts […]. Nicht ein einziger der Grund sätze der Handhabung unserer auswärtigen Ange legenheiten, welche noch vor einem halben Jahr von allen Politikern als selbstverständliche Richtlinien anerkannt wurden, steht noch heute in Geltung. Es gibt keine überkommene Auffassung der Diplomatie, welche nicht fortgeschwemmt wäre. Wir stehen vor einer neuen Welt, neue Einflüsse sind am Werk; […] das Gleichgewicht der Macht ist völlig zerstört; und das Land, welches am meis ten darunter leidet und welches die Wirkungen dieses großen Wechsels am meisten zu spüren bekommt, ist England. Walter Bußmann, Europa und das Bismarckreich, in: Carl Hinrichs/Wilhelm Berges (Hrsg.), Die deutsche Einheit als Problem der europäischen Geschichte, Stuttgart o. J. [1960], S. 167 5 10 15 20 M8 Wem nützt die Reichsgründung? Der Sozialdemokrat August Bebel kommentiert die Reichsgründung 1874 so: Das durch „Blut und Eisen“ mühsam zusammengeschweißte „Reich“ ist kein Boden für die bürgerliche Freiheit, geschweige für die soziale Gleichheit. Staaten werden mit den Mitteln erhalten, durch die sie gegründet wurden. Der Säbel stand als Geburtshelfer dem „Reich“ zur Seite, der Säbel wird es ins Grab begleiten. Toren sind, die von Schöpfungen der monarchischen Gewalt die „Freiheit“ erwarten, noch größere Toren sind die, welche von der auf der Klassenherrschaft und dem Säbel regiment beruhenden Staatsgewalt die Pflege wirklicher Volkswohlfahrt erwarten. Es gibt in Deutschland nur eine Klasse, der die neue Reichsschöpfung zusagte und die sie auch mit berechtigtem Jubel begrüßte – die deutsche Bourgeoisie. Siegfried Ziegler, Das Deutsche Kaiserreich, München 1989, S. 35 5 10 15 20 B a y e r n Prag Elbe Nassau He sse n P fa lz B a d e n Wür t temberg Lothringen Prov. Hessen N I E D E R L A N D E B E LG I E N L U X E M B U R G F R A N K R E I C H E l s a s s Thüring. Staaten Frankfurt S a c h s e n Anhalt MecklenburgSchwerin Bremen Hamburg Berlin Oldenburg P r e u ß e n Königgrätz Olmütz Ö S T E R R E I C H R U S S L A N D Prov. Hannover Oder Rhein Donau Sedan Preußen vor 1866 preußisches Staatsgebiet nach 1866 Südgrenze des Norddeutschen Bundes 1867 Grenze des Deutschen Reiches 1871 0 200 km Lübeck S C H W E I Z D Ä N E M A R K S C H W E D E N 4453_109_129 06.06.14 11:28 Seite 113 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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