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113Umgang mit Texten und Medien Annäherungen „Eigentlich Tobias“, sagte er, „aber alle nennen mich Puck.“ Man kaute schon wieder viel zu hektisch Kaugummi, viel zu hektisch. „Und du?“ „Ich heiße Gwen. Von Gwendolyn.“ Ihr Name klang nach Märchen, sie selbst war ein Märchen, ein Märchen, das sich auf der Welt rumtrieb, um Leute glücklich zu machen. Durchscheinend wie ein heller Gedanke, mit zerbrechlichen, langen Fingern erzählte sie ihm von ein paar Dingen, nach denen er wahrscheinlich gefragt hatte. Er wusste es nicht mehr so genau, und er kaute viel zu hektisch Kaugummi. Kurz war es still. Eine Ente überquerte den Weg und verschwand im Dunkel des Parks. Und dann kam der Regen. Zuerst in einzelnen Tropfen, die auf das Metallgeländer klirrten. Dann als ein Meer, das durch ein Sieb vom Himmel geschüttet wurde; die Erde roch nach Sommer. Puck und Gwen krochen ein paar Stufen höher und atmeten den Regen, ohne nass zu werden. „Goldfinger“, sagte sie, „das Regenlied von Ash.“ Er sah sie staunend von der Seite an. Als es zu regnen begann, als die Tropfen auf das Metalldings klirrten, als Herr Hürdyie ein paar Straßen weiter endlich seinen Laden schloss, um ins Bett zu gehen und lange nicht mehr aufzuwachen, als sie dem Regen zusahen und zuhörten und ihn fühlten, als es drinnen hell wurde und die Straßenlaternen sich ausschalteten, geschah etwas Seltsames: Sie holte eine eingepackte Lakritzschnecke aus der Tasche, knisterte das Papier auf, holte die Schnecke raus und nahm ein Ende zwischen ihre weißen Vorderzähne. „Eigentlich müsste man mal ausprobieren …“, murmelte sie. Und dann drückte sie Puck die Schnecke in die Hand, rollte mit den Zähnen das Lakritzband ab, sah ihm aus kurzer Entfernung in die ängstlichen Augen, er atmete sie ein und dann stand sie auf und ging langsam rückwärts in den Regen, ging immer weiter, bis die Schnecke ganz abgerollt war. „So lang issie also“, sagte sie mit Lakritzzähnen. Und dann: „Magst du sie aufessen?“ Später, die Lichter drinnen waren erst anund dann ganz ausgegangen, tanzten sie im Dunkeln und zunächst ohne Musik. Doch dann, zum Abbauen, legte man in der Vorhalle die Sportfreunde1 auf. Und irgendwann, man weiß nicht wie, denn die Zeit war nicht vergangen, war es Morgen, und die Kotze vor der Uni war getrocknet, und sie saßen im fahlen Schein auf einer Bank im Park, noch beduselt und verstört von einem absurden Traum. Dann wollte sie ganz schnell gehen, plötzlich ihr Gesicht, ihre Augen kilometerweit weg und er konnte sich kaum bewegen und er traute sich nicht, sie zum Abschied auf den Mund zu küssen, denn er bildete sich ein, dass er wieder Mundgeruch hatte. 45 50 55 60 65 70 75 80 1 Sportfreunde Stiller: Münchner Band ➝ Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge tu m d s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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