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167Umgang mit Texten und Medien 1784 – Weltgeschichte: Fehlanzeige „Ich habe heut früh an meiner Abhandlung Über den Granit diktiert“, teilt Goethe Frau von Stein in einem Billett vom 18. Januar mit. Goethes mineralogische und geologische Studien haben 1781 zu dem Plan ge führt, einen Roman über das Weltall zu schreiben. Der Aufsatz Über den Granit ist als Vorstudie, möglicherweise auch als Teil dieses nicht verwirklichten Werkes zu sehen. Für Goethe ist der Granit das Ur-Gestein in der erdgeschichtlichen Entwicklung; dieses Gestein war seiner Meinung nach das erste, das sich durch Kristallisation aus dem flüssigen Zustand (Meer) in eine feste Materie umwandelte: „… diese Steinart [ist] die Grundfeste unserer Erde …, worauf sich alle übrigen mannigfaltigen Gebirge hinaufgebildet“ haben (Über den Granit). Der Naturwissenschaftler Goethe vertritt demnach eine neptunistische Theorie der Entstehung der Erde und lehnt den Vulkanismus ab. […] Im Frühjahr hält sich Goethe bei Justus Christian Loder in Jena auf und betreibt dort, wie bereits im Oktober 1781, mit Eifer anatomische Studien. Am 27. März berichtet Goethe voll Be geis terung dem Freund Herder, er habe den Zwischenkieferknochen am Menschen entdeckt. Es war die verbreitete Ansicht jener Zeit (vertreten vor allem durch den holländischen Anatomieprofessor Petrus Camper, der als große Kapazität auf diesem Gebiet galt), dass der Mensch sich durch den fehlenden Zwischenkieferknochen vom Tier unterscheide. Goethe beweist das Gegenteil. Damit ist die Abstammung des Menschen vom Tier endgültig bewiesen. Es ist zweifellos eine große Entdeckung, die Goethe gemacht hat; sie wird auch dadurch nicht geschmälert, dass Vicq-d’ Azyr, ein französischer Anatom, dies schon 1780 herausgefunden hatte, denn davon konnte Goethe nichts wissen. Er lässt sich von Sömmerring einen Elefantenschädel zu weiteren anatomischen Analysen kommen, er zeichnet Schädel aus verschiedenen Perspektiven, er arbeitet bis Ende Mai an einer Abhandlung über seine Entdeckung (die er bis 1786 durch neue Erkenntnisse bereichern wird): Dem Menschen wie den Tieren ist ein Zwischenkieferknochen der obern Kinnlade zuzuschreiben. In lateinischer Übersetzung wird er die Arbeit im Dezember durch Merck an Sömmerring und Camper weiterleiten, doch außer Loder kann er keinen der damaligen Anatomen überzeugen. Erst 1820, als die Entdeckung längst verifiziert ist, erscheint der Aufsatz in Zur Morphologie (I,2). Hilde Höllerer-März u.a. Johann Wolfgang v. Goethe als Naturwissenschaftler Chronik, 1784 10 15 20 25 30 35 40 3 Aufgaben: Seite 169 5 Nu r z u Pr üf z ec k n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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