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Die 27-jährige Katharina Blum verliebt sich bei einer Karnevalsparty in einen jungen Mann und nimmt ihn mit nach Hause, ohne zu wissen, dass er ein polizeilich gesuchter Verbrecher ist. Als die Polizei die Wohnung stürmt, verhilft Katharina ihm zur Flucht und gerät von da ab in die Schusslinie einer Boulevardzeitung, von der es im Vorspann heißt: „Ähnlichkeiten mit Praktiken der ‚Bild‘-Zeitung [… sind ] weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidlich.“ Schon am Samstagmorgen am Bahnhof der Stadt, die immer noch saisongemäß fröhlich war, völlig zerknittert und elend, schon auf dem Bahnsteig des Bahnhofs die ZEITUNG und wieder mit Katharina auf dem Titel, diesmal, wie sie in Begleitung eines Kriminalbeamten in Zivil die Treppe des Präsidiums herunterkam. MÖRDERBRAUT IMMER NOCH VERSTOCKT! KEIN HINWEIS AUF GÖTTENS VERBLEIB! POLIZEI IN GROSSALARM. Wenn wir gut arbeiten, dann helfen wir unseren Zuschauern, bei gesellschaftlichen Entwicklungen aufgeklärt mitzumachen. Und: Wir setzen die Mächtigen in der Politik, Wirtschaft oder Kultur unter Erklärungsund Rechtfertigungsdruck. Sie sollen sich äußern zu ihren Entscheidungen und Handlungen. Sie sollen an ihre Versprechen von vorgestern erinnert werden. Dahinter steht eine idealtypische Vorstellung von Gesellschaft, die auf Kräfteund Arbeitsteilung beruht. Hier die politische, wirtschaftliche und soziale Elite, da die mündigen Bürger mit den unabhängigen Medien. Aber: Viele Journalisten sind mehr und mehr zu Teilhabern der politischen Elite geworden und reichen Informationen nach unten weiter. Konform zu sein mit dieser Elite trägt Privilegien und Prestige ein. Dissidenten und Kritiker spüren dagegen irgendwann die gläserne Decke. Querdenker werden in Sonntagsreden gerühmt, aber nicht wirklich gewollt. Was ich mich in meiner Arbeit also regelmäßig frage: Wer möchte, dass ich das glaube, und warum? Es gibt viele Wahrheiten, wir müssen zu unterscheiden lernen, welche unserer Aufmerksamkeit wert sind und welche nicht. Meine Idealvorstellung vom Journalisten: ein Detektiv, ein Augenzeuge, ein Humanist. Ich selbst bin aus sehr idealistischen Gründen Journalistin geworden und wuss te als Volontärin genau: Die Welt kann besser werden und ich will dazu beitragen. Bis heute ist dies der schönste Beruf der Welt und ein relevanter dazu. Ein Beruf, bei dem Kopf und Herz gleichermaßen herausgefordert sind. Für mich ist kritischer Journalismus nichts weniger als Aufklärung und Veränderung, immer noch. Heinrich Böll Die verlorene Ehre der Katharina Blum 4 Aufgaben: Seite 201 45 50 55 60 65 5 197Umgang mit Texten und Medien Zwischen Inszenierung und Information ➝ Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge tu m d es C .C . B uc h er V er la gs | |
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