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275 Machtübernahme und „Gleichschaltung“ Noch so bescheidene Ansätze einer Frauenemanzipation lehnte Hitler persönlich ab; den Hochschulabschluss für Frauen missbilligte er. Ehestandsdarlehen mit teilweisem oder vollem Schuldenerlass, je nach Kinderzahl, sollten verheiratete Frauen bewegen, die Berufswelt zu verlassen und sich ganz der Familie zu widmen. Freilich hat das NS-Regime die Emanzipation durch Dauer und Folgen des Krieges auf das Wirtschaftsleben dann wider Willen doch gefördert. Denn Frauen mussten die Aufgaben der in den Krieg gezogenen Männern übernehmen. Auch im Krieg nahmen Frauen eine durchaus aktive Rolle ein: als Helferinnen der Wehrmacht, des Reichsluftschutzbundes, des Deutschen Roten Kreuzes, der Schutzstaffel (SS) oder der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) waren sie nicht nur im Reich, sondern auch in den besetzten Gebieten tätig. In den Konzentrationslagern versahen etwa 10 000 Frauen als weibliches SS-Gefolge ihren Dienst. Führung oder Chaos? Die Ausschaltung oppositioneller Gruppen schien auf den ersten Blick die Staatsmacht zu stärken, die sich nicht länger im pluralistisch-liberalen Meinungsstreit behaupten musste. Es zeigte sich jedoch, dass neben den Staat nun die NSDAP als „Trägerin des deutschen Staatsgedankens“ trat. Die Partei durchdrang die Gesellschaft und trat damit in Konkurrenz zu den staatlichen oder kommunalen Institutionen. Die Folge war ein undurchsichtiger Wirrwarr von Kompetenzen. Während der Staat üblicherweise das öffentliche Leben auf der Basis von Gesetzen reglementiert und gestaltet, trafen jetzt Parteiorganisationen oder deren Repräsentanten neben der staat lichen Bürokratie Einzelentscheidungen. Hinter der sorgfältig aufgebauten Fassade des unumschränkten Führerwillens tobten Machtkämpfe zwischen staatlicher Bürokratie, NSDAP, SS, Sicherheitsdienst (SD), Gestapo und Reichswehr. Prinzipiell hatte jedoch Hitler stets das letzte und entscheidende Wort. Vielfach verschmolzen Parteiund Staatsorganisation miteinander. So hatten die Gauleiter der NSDAP häufi g zugleich hohe Ämter in den „gleichgeschalteten“ Ländern inne oder die Ortsgruppenleiter der Partei übernahmen gleichzeitig das Bürgermeisteramt. Die Kontrolle der öffentlichen Hand und des gesellschaftlichen Alltags ließ die Parteibürokratie ständig anwachsen. Gab es 1935 33 Gauleiter, 827 Kreisleiter, 21 000 Ortsgruppenleiter und 260 000 Zellenund Blockleiter, so betrug die Zahl dieser Funktionäre zwei Jahre später bereits 700 000. Während des Krieges waren es zwei Millionen. Schutzstaffel (SS): 1925 gegründete Parteiformation zum persönlichen Schutz Hitlers, ab 1934 „selbst ständige Organisation“ der NSDAP mit polizeilicher Machtbefugnis Geheime Staatspolizei (Gestapo): Die 1933 gegründete Organisation verfolgte politische Gegner des NS-Staates. Sicherheitsdienst (SD): 1931 als Geheimdienst der SS zur Überwachung politischer Gegner und Parteimitglieder eingerichtet, ab 1934 parteiinterner Nachrichtendienst der NSDAP 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 275 07.04.15 16:45 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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