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287 Ausgrenzung und Verfolgung gestempelt, Sinti und Roma erhielten ab März 1939 besondere „Rasseausweise“. Die zunehmende Ausgrenzung aus dem sozialen und gesellschaftlichen Umfeld machte das Leben für die Betroffenen unerträglich. Gewalt gegen Juden von Anfang an Nach dem 30. Januar 1933 nahmen die gewaltsamen Übergriffe auf Juden zu. Polizei und Behörden reagierten jedoch nicht. Als Vergeltung für das Attentat des 17-jährigen Juden Herschel Grynszpan auf den Legationssekretär Ernst vom Rath an der deutschen Botschaft von Paris folgte der Pogrom vom 9. auf den 10. November 1938 („Novemberpogrom“ oder verharmlosend „Reichskristallnacht“, u M4 und M5). Reichsweit wurden Hunderte von Synagogen in Brand gesteckt, über 8 000 jüdische Geschäfte und zahllose Wohnungen zerstört, etwa 100 jüdische Mitbürger getötet und rund 30 000 in Konzentrationslager verschleppt. Viele starben an den Folgen der Misshandlungen oder nahmen sich selbst das Leben. Für den Schaden mussten die Opfer anschließend auch noch zahlen: eine Milliarde Reichsmark. Versicherungsleistungen wurden zugunsten des Reiches eingezogen. Dieses „Sühnegeld“ bedeutete – zusammen mit der Ausschaltung der Juden aus den letzten Positionen der Wirtschaft – für viele Familien den fi nanziellen Ruin. Enteignung und Vertreibung Viele Juden dachten, der „Novemberpogrom“ sei der Höhepunkt des Schreckens gewesen. Nach Diskriminierung und Entrechtung zielten die nun folgenden Maßnahmen jedoch darauf, den jüdischen Bürgern ihre Existenz zu rauben und ein Leben in Deutschland damit unmöglich zu machen. Bereits im April 1933 hatte mit dem Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte der Ausschluss der Juden aus dem Wirtschaftsleben begonnen. Der Entzug öffentlicher Aufträge, ausbleibende Kundschaft und bürokratische Schikanen zwangen die jüdischen Gewerbetreibenden, ihre Geschäfte zu schließen oder zu Spottpreisen zu verkaufen. Diese Aufkäufe durch „Arier“, die die Notlage ihrer jüdischen Mitbürger ausnutzten, wurden als „Arisierung“ bezeichnet. Von 100 000 jüdischen Betrieben existierten im April 1938 noch knapp 40 000. Wenig später machten weitere Berufsverbote und die „Zwangsarisierung“ jüdischen Immobilien besitzes dem jüdischen Geschäftsleben ein Ende. Die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 12. November 1938 vernichtete die noch verbliebenen Existenzen. Juden mussten Wertpapiere, Schmuck, Edelmetall und Kunstgegenstände weit unter Wert an den Staat verkaufen, dem Hauptprofi teur des Raubes an den jüdischen Vermögen. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges radikalisierte sich die „Judenpolitik“. Die deutschen Juden wurden nun offi ziell als „Reichsfeinde“ behandelt. Das NSRegime richtete Sperrstunden ein, in denen sie ihre Wohnungen nicht verlassen durften. Seit dem 15. September 1941 mussten alle Juden vom sechsten Lebensjahr an einen gelben Stern auf der Kleidung tragen, der sie öffentlich stigmatisierte. Ab dem 1. Juli 1943 waren die Juden unter Polizeirecht gestellt und damit endgültig entrechtet. Zu diesem Zeitpunkt lebten jedoch nur noch wenige Juden in Deutschland. Wer es nicht geschafft hatte, das Reich zu verlassen oder in einem sicheren Versteck unterzutauchen, wurde ab Oktober 1941 mit Sammeltransporten in die besetzten Gebiete deporu Geschichte In Clips: Zum „Novemberpogrom“ siehe Code 32015-28 i Versteigerungsanzeige von „nicht-arischem“ Besitz in der Frankfurter Zeitung 1941. In den Kriegsjahren fanden fast täglich Versteigerungen von jüdischem Besitz statt, der bei den Deportationen zurückgelassen werden musste. Nur wenige Deutsche empfanden bei den Käufen Skrupel. 32015_1_1_2015_Kap3_260-351.indd 287 01.04.15 11:00 N r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt m d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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