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159Umgang mit Texten und Medien In meiner Welt 3 Aufgaben: Seite 161 Der Text stammt aus einer Auto bio grafie. Janet Frame erzählt die Ge schich te ihrer Kindheit in Neuseeland. Während der ersten Woche in unserem Haus in Glenham entdeckte ich einen Platz, meinen Platz. Ich ging allein auf Entdeckungsreise und fand einen versteckten Platz unter alten, umgefallenen Bäumen an einem winzigen Bach, wo man auf einem moosbedeckten Stamm sitzen konnte und wo die Zweige der Birke mit ihrem frischen Laub ein Dach bildeten, das den Himmel ausschloss, bis auf die ein Muster bildenden Löcher aus Sonnenlicht. Der Boden war mit einer Unmenge alter, abgefallener Blätter bedeckt, matschig, schlüpfrig, nass. Ich saß auf dem Stamm und blickte um mich. Ich wurde überwältigt von einem köstlichen Gefühl der Entdeckung, der Dankbarkeit, des Besitzerstolzes. Ich wuss te, dass dieser Platz einzig und allein mir gehörte; mir gehörte das Moos, das Bächlein, der Stamm, das Geheimnis. Es war eine neue Art des Besitzes … Ich kann mich an mein überwältigendes Ge fühl der Vorfreude und Erregung über die Welt erinnern – wobei die Welt mein Platz bei der umgefallenen Birke war, mit dem Gras, den Insekten im Gras, dem Himmel, den Schafen und Kühen und Kaninchen, den Wachsaugen und den Habichten – allen Dingen unter freiem Himmel. Ich erinnere mich an mein besonderes Gefühl für den Himmel, so weit über mir, dort oben... und wie ich von Sehnsucht danach erfüllt war, von einer Art Heimweh, das mein Bruder und meine Schwestern ein paar Jahre später mit mir teilten, als wir ein altes Schulbuch mit einem Gedicht fanden, welches mit folgenden Worten begann: Ein Knäblein lag auf dem Rücken im Gras, das Gesicht zum Himmel gewandt, und sah zu, wie langsam, träge und sacht zog vorüber das Wolkenband. Wir lagen alle zusammen im langen Sommergras, blickten zum Himmel empor, sagten das Gedicht auf und wussten, dass jeder dasselbe Heimweh und dieselbe Sehnsucht nach dem Himmel empfand. Janet Frame Ein Engel an meiner Tafel 5 10 15 20 25 30 35 Albrecht Dürer (1471–1528), Großes Rasenstück (1503) Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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