Volltext anzeigen | |
Die Gründung des Staates Israel 137 M3 Der Holocaust als Legitimation des Staates Israel a) 1953 verabschiedet die Knesset, das israelische Parlament, das „Gesetz zur Erinnerung an Holocaust und Heldentum“ zur Gründung der Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem: 1. Hiermit wird eine Gedenkstätte, Yad Vashem, eingerichtet: 1) Für die sechs Millionen Angehörigen des jüdischen Volkes, die zu einem qualvollen Martyrium, zur Vernichtung verdammt und hingemordet wurden von den Nationalsozialisten und ihren Helfern; 2) Für die Familien aus dem Hause Jakobs, die von den Tyrannen vernichtet wurden; 3) Für die Gemeinden, Synagogen, Bewegungen und Organisationen und die kulturellen, pädagogischen, religiösen und wohltätigen öffentlichen Einrichtungen, die aus dem bösartigen Vorhaben heraus, den Namen Israel und seine Kultur für immer auszuradieren, zerstört und vernichtet wurden; 4) Für den Mut der Juden, die ihr Leben für ihr Volk in Heiligkeit und Reinheit hingegeben haben; 5) Für das Heldentum jüdischer Soldaten in den Armeen und in den Widerstandsorganisationen in Städten und Wäldern, die ihr Leben im Kampf gegen den nationalsozialistischen Tyrannen und seine Helfer verloren haben; 6) Für die heroische Geschichte derjenigen, die in den Ghettos eingeschlossen waren, und für ihre Kämpfer, die sich erhoben und die Flamme des Aufstands zur Rettung der Würde ihres Volkes entzündet haben; [...] 9) Für die Gerechten der Völker, die ihr Leben riskierten, um Juden zu retten. 2. Es ist die Aufgabe von Yad Vashem, die Erinnerung an all jene Mitglieder des jüdischen Volkes zusammenzutragen [...] und ihnen ein Monument und Denkmal zu errichten [...]. Zur Erfüllung dieser Ziele wird Yad Vashem ermächtigt: [...] 3) In Israel und im gesamten jüdischen Volk den Tag, der von der Knesset als Holocaust-Gedenktag festgelegt wurde, zu verwurzeln, und eine einheitliche Tradition im Gedenken an seine Helden und Opfer aufzubauen; [...] 4a) Den Angehörigen des jüdischen Volkes, die vernichtet wurden, und jenen, die im Holocaust und in Aufständen fielen, gleichsam die israelische Staatsangehörigkeit im Gedenken zu verleihen [...]. b) In seinem Buch „Hitler besiegen“ kritisiert der israelische Autor und ehemalige Knesset-Vorsitzende Avraham Burg 2009, wie das Erinnern an den Holocaust mit der israelischen Politik verknüpft wird. In einer Besprechung des „Tagesspiegels“ heißt es: Die Hauptthese ist, dass Israel sich auf einem gefährlichen Irrweg befinde, weil es den Holocaust zu einem „theologischen Pfeiler der jüdischen Identität“ gemacht habe und in der Opferrolle verharre – obwohl die Juden über einen starken Staat und mehr Macht als je zuvor in der Geschichte verfügen. […] Eine Folge laut Burg: Israel habe „Muskeln entwickelt, keine Seele“. Man setze auf Gewalt und militärische Macht, was angesichts der feindlichen Gesinnung vieler gegenüber Israel in der Region vielleicht verständlich sei. Doch man verkenne, dass die Welt sich seit 1945 grundlegend verändert habe: Die internationale Staatengemeinschaft habe sich die Lehre des „Nie Wieder“ zu eigen gemacht, sodass Israel beispielsweise nicht allein einem bedrohlichen Iran gegenüberstände. Stattdessen sei die Shoah zur Entschuldigung und „Triebkraft jeglichen Handelns“ stilisiert worden. „Alles ist erlaubt, weil wir die Shoah durchgemacht haben und niemand uns sagen darf, was wir zu tun haben.“ […] Burg geht es um die politische Instrumentalisierung des Holocaust. Anschaulich illustriert er seine These, dass das Beharren auf dem Alleinvertretungsanspruch Israels für Opfer und Gedenken – die Mehrheit der Juden lebt außerhalb des jüdischen Staates – und die gezielte Kultivierung der Umzingelungsmentalität verhindere, dass Israel sich aus der politischen Sackgasse befreit, in der es steckt. [...] Das größte Entsetzen in Israel haben jedoch die Vergleiche Burgs zwischen den politischen, sozialen und nationalen Strukturen in Israel heute und denen im Deutschland zwischen Reichsgründung und dem Ende der Weimarer Republik ausgelöst. [...] Diese Vergleiche sind grob und leicht zu widerlegen – wie die meisten historischen Analogien, was Burg selbst einräumt. Doch hier spricht der radikale Therapeut, der seine Gesellschaft durch Schmerzzufügung aufrütteln will: Israel sei aufgrund seiner Geschichte nicht automatisch gefeit gegen Irrwege. a) Bela Gûterman und Avner Shalev (Hrsg.), Zeugnisse des Holocaust. Gedenken in Yad Vashem, Göttingen 2006, S. 16 f. – b) Andrea Nüsse, Hitler besiegen. Seele statt Muskeln, in: www.tagesspiegel.de/ kultur/literatur/ seele-statt-muskeln/1603320.html [17. 03. 2013] 1. Fassen Sie die Zielsetzung des „Gesetzes zur Erinnerung an Holocaust und Heldentum“ zusammen. Überlegen Sie, warum der Gründung der Gedenkstätte ein Gesetz zugrunde liegt. 2. Arbeiten Sie aus der Besprechung des „Tagesspiegels“ die Thesen Burgs heraus und nehmen Sie dazu Stellung. 3. Verfassen Sie einen Leserbrief zum Artikel aus Sicht eines israelischen Kritikers. Beurteilen Sie beide Positionen. 4. Bewerten Sie die Aussage, Israel sei aufgrund seiner Geschichte „nicht automatisch gefeit gegen Irrwege“ (Z. 69 f.). 5. In der arabischen Presse wurde Burgs Buch gefeiert und als Beweis für das nahende Ende des Zionismus und Israels angesehen. Erläutern Sie, warum. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65 70 N u r zu P rü fz w e c k e n E ig e n tu m e s C .C . B u c h n r V e rl a g s | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |