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Ostasien und die Welt: Wirtschaftsund Außenpolitik 239 Ostasien und die Welt: Wirtschaftsund Außenpolitik Aufstieg der „Tigerstaaten“ In den 1970erund 80er-Jahren erzielten die Länder Singapur, Hongkong, Taiwan und Südkorea mitunter die höchsten wirtschaftlichen Wachstumsraten der Welt. Man ging davon aus, dass diese Staaten in kürzester Zeit den Sprung vom Entwicklungsland zum Industriestaat schaffen würden und bezeichnete sie daher in Anlehnung an die plötzlichen und kraftvollen Sprünge von Tigern als die vier „Tigerstaaten“. Keiner dieser Staaten war dabei ein demokratischer Staat nach westlichem Vorbild: Taiwan wurde von den Guomindang* und Singapur von der People’s Action Party (PAP) autoritär regiert, Südkorea war faktische eine Militärdiktatur, und auch in der britischen Kronkolonie Hongkong hatten die Bürger keine demokratischen Mitspracherechte. Obwohl die wirtschaftliche Entwicklung in den „Tigerstaaten“ durchaus unterschiedlich verlief, gab es mindestens zwei Gemeinsamkeiten, die das Wirtschaftswachstum befeuerten: ein internationaler Wettbewerbsvorteil durch niedrige Lohn und Produktionskosten und eine starke Exportorientierung. Inwieweit eine spezifisch asiatisch-konfuzianische Arbeitsethik, die auf Fleiß, Disziplin und Unterordnung der Eigeninteressen basiert, für das Wirtschaftswachstum eine Rolle spielte, ist umstritten. In den 1980er-Jahren erlebten weitere asiatische Länder – darunter Indonesien, Thailand, Malaysia und die Philippinen – einen Wirtschaftsaufschwung, weshalb diese Länder auch als „neue Tigerstaaten“, „Tigerstaaten der zweiten Generation“ oder „Pantherstaaten“ bezeichnet wurden. 1997 beendete eine schwere Wirtschaftsund Finanzkrise den Boom der „Tigerstaaten“. Die Ursachen dieser „Asien-Krise“ lagen in erster Linie in den „Nebenwirkungen“ einer globalisierten und deregulierten Finanzwelt: Investitionen wurden in Erwartung künftiger Gewinne mit Krediten finanziert. Bei deren Vergabe wurden Risiken, etwa die Bildung von „Finanzblasen“** oder Veränderungen im Wechselkurs, vernachlässigt; fahrlässige Währungsspekulationen kamen hinzu.*** Als Thailand seine inzwischen deutlich überbewertete Währung (Baht) vom US-Dollar abkoppelte, kam es zur Krise: In kürzester Zeit verloren die Währungen vieler ostasiatischer Staaten an Wert, ihre Wirtschaft rutschte in die Rezession. Vor allem die „Tigerstaaten der zweiten Generation“ hatten unter den Folgen der Krise zu leiden, aber auch Russland und Japan spürten ihre Auswirkungen (u M1). Die vier ursprünglichen „Tigerstaaten“ erholten sich relativ rasch und sind inzwischen als Industriestaaten bzw. wirtschaftsstarke Staaten zu bezeichnen. Während sich Südkorea und Taiwan seit den 1990er-Jahren zu Demokratien entwickelt haben, herrscht in Singapur nach wie vor das autoritäre Regime der PAP. Hongkong ist seit 1997 chinesische Sonderverwaltungszone mit weitreichender Autonomie. i Verlauf der „Asienkrise“ von 1997. Innerhalb eines halben Jahres verloren die Währungen asiatischer Staaten gegenüber dem Dollar massiv an Wert. p Ermitteln Sie anhand der Grafik Unterschiede zwischen den „alten“ und den „neuen Tigerstaaten“. Industriestaat: Land, dessen Wirtschaft von der industriellen Produktion dominiert wird (im Gegensatz zum Agrarland oder Entwicklungsland). Viele heute als Industrienationen bezeichnete Staaten (z. B. die Mitgliedstaaten der OECD) sind tatsächlich Dienstleistungsgesellschaften, da die Mehrheit der Erwerbstätigen dieser Länder im Dienstleistungssektor beschäftigt ist. Rezession: Phase des Wirtschaftsabschwungs, u. a. gekennzeichnet durch sinkende Nachfrage, fallende Börsenkurse, steigende Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sowie pessimistische Konjunkturaussichten * siehe S. 215 f. ** „Finanzblase“: Marktsituation, bei der bestimmte Güter weit über ihrem realen Wert gehandelt werden. Sie mündet häufig in einem plötzlichen, tiefen Kurssturz (crash, „Platzen der Blase“). *** zur Wirtschaftsund Finanzkrise ab 2007 siehe S. 97 110 JAN 0 Philippinen Malaysia Thailand Südkorea Indonesien Singapur Taiwan Hongkong FEB MÄR APR MAI JUN JUL AUG SEP OKT NOV DEZ JAN FEB 100 90 80 70 60 50 40 30 20 10 Wechselkurse zum US-Dollar Index = 100: 1. 1. 1997 N u r zu P rü fz w e c k n E ig e n tu m d s C .C . B u c h n e r V e rl a g s | |
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