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Alltag und Lebenswelt 69 1918 in seiner Freizügigkeit beschränkt, stand unter ständiger Kontrolle des Bauern und unterlag obendrein dem Züchtigungsrecht. [...] Da sich in der bäuerlichen Welt der Wert eines Menschen vor allem nach seiner Arbeitsfähigkeit bemaß, galten Kinder als minderwertig und rückten in die räumlich-soziale Nähe des Gesindes. Die Frau kümmerte sich um Haushalt, Kleinvieh und Garten, der Mann um Feldbau und Großvieh. In der arbeitsfreien Zeit traf man sich im Winter zu Hause, ansonsten meist vor dem Haus oder in Spinnstuben. Bernd Fuhrmann u. a., Geschichte des Wohnens, a. a. O., S. 116 f. 1. Beschreiben Sie, wie sich das Leben auf dem Land von dem in der Stadt des Industriezeitalters unterschied. 2. Ermitteln Sie, wodurch die Situation auf dem Land letztlich verändert wurde. Berücksichtigen Sie wirtschaftliche, technische, rechtliche und politische Ursachen. 3. Erörtern Sie, was das Leben in ländlichen Gebieten heute vom Leben in der Stadt unterscheidet. M4 „Gewonnene Jahre“ Die Soziologin Anke Wahl beschreibt den heutigen Zusammenhang von Lebenserwartung und Lebensentwürfen: Unter den Sterblichkeitsverhältnissen von 1881 bis 1890 erreichen 33 Prozent der Männer und 40 Prozent der Frauen das Alter von 60 Jahren; heute sind es 84 Prozent der Männer und 92 Prozent der Frauen. Die mittlere Lebenserwartung der zwischen 1881 und 1890 60-jährigen Männer liegt bei 12 Jahren, die der Frauen liegt bei 13 Jahren; heute haben die 60-jährigen Männer durchschnittlich noch 18 Jahre und die 60-jährigen Frauen durchschnittlich noch 22 Jahre vor sich. Das heißt: Im Verlauf des 20. Jahrhunderts wird ein langes, von Unwägbarkeiten und Zufällen verschontes Leben immer wahrscheinlicher. Ohne dass die maximale Lebenserwartung des Menschen im Laufe der Zeit an sich wesentlich zugenommen hätte – die Spanne, die dem menschlichen Organismus von der Natur zugestanden wird, liegt nach wie vor bei ungefähr einhundert Jahren –, besteht der grundlegende Wandel im fast vollständigen Verschwinden des Todes aus den frühen und mittleren Lebensjahren. Erst die Konzentration der Sterblichkeit nahezu ausschließlich im höheren Alter und zunehmend sogar im Greisenalter schafft die Grundlage für einen auf Dauer angelegten und planbaren Lebenslauf. Die Gestaltung der „gewonnenen Jahre“ wird zur Aufgabe. Anke Wahl, Die Veränderung von Lebensstilen. Generationenfolge, Lebenslauf und sozialer Wandel, Frankfurt am Main/New York 2003, S. 64 66 1. Die Zahlen stammen von 1994. Ermitteln Sie die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland heute. 2. Stellen Sie einen Lebensplan auf, der für Ihre kommenden Lebensabschnitte Ziele und Wünsche formuliert. M5 Eine neue „Benimmkultur“? Die „Frankfurter Allgemeine“ fragt nach dem Umgang heutiger Jugendlicher mit ihrer Privatsphäre: Früher, als die Pubertät eine Sache von Koketterie und Schamgefühlen, von Mutproben und weltumspannenden Zweifeln war, da hatte man noch Geheimnisse. Die vertraute man einer oder einem Auserwählten an, und weil die dadurch entstehende moralische Last für die Betreffenden entsetzlich war und die Verlockung, weitere mit solchem Herrschaftswissen auszustatten, ans Unerträgliche grenzte, gab es Wallungen, ja Tragödien [...]. Was, das hast du ihm gesagt? Wie konntest du! Und wie soll ich jemals wieder in die Schule gehen! Ein amerikanisches Meinungsforschungsinstitut befragte nun 770 Teenager zwischen zwölf und siebzehn Jahren, die regelmäßig online sind, und stellte fest: Dreißig Prozent von ihnen nutzen gemeinsame Passwörter mit engen Freunden und Partnern. Ob Facebook-, E-Mailoder Twitter-Account: Exklusivität gilt als spießig, Offenheit als hip. Die Elterngeneration, [...] die beim Eintippen der Kreditkartennummer zwecks Flugticket-Erwerb den Atem anhält, ist alarmiert. [...] Die Jugendlichen sind allerdings viel nüchterner: „Es ist einfach ein Zeichen von Vertrauen“, erklärt eine siebzehnjährige Schülerin, „ich habe nichts vor ihm zu verbergen und er nichts vor mir.“ [...] Die Jugendlichen in ihrer Diskretionsabneigung schaffen womöglich eine neue Benimmkultur: Texte, twittere, poste immer so, dass du dich nicht vor Zeugen fürchten musst. [...] Fluchtpunkt dieser Haltung wäre dann eine digital komplett offene Gesellschaft, in der sich Teens nicht mehr Liebesbriefe, sondern Passwörter zustecken. Daniel Haas, Egoleaks, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. Januar 2012, S. 31 1. Beschreiben Sie den Einstellungswandel zwischen Jugendlichen in Vergangenheit und Gegenwart. 2. Der Autor spricht von der „Diskretionsabneigung“ heutiger Jugendlicher. Nehmen Sie dazu Stellung. 3. Diskutieren Sie über Sinn und Zweck einer Trennung öffentlicher und privater Lebensbereiche. 10 15 5 10 15 20 5 10 15 20 25 N u z u P rü fz w e c k e n E ig e n tu d s C .C . B u h n e r V e rl a g s | |
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