Volltext anzeigen | |
277Mit Material arbeiten 1. Arbeite die judenfeindlichen Einstellungen Treitschkes heraus (M 1 und M 2). 2. Erläutere die statistischen Angaben in M 3. 3. Verfasst in Gruppenarbeit Antworten auf Treitschkes Aussage (M 1). Berücksichtigt dazu M 2 bis M 5. M 4 Neue Synagoge in Erfurt. Ölgemälde eines unbekannten Künstlers nach einem Foto von 1906. Das Gotteshaus wurde 1880 eingeweiht und am 9. November 1938 zerstört. Es bot etwa 500 Personen Platz. An der Einweihungsfeier nahmen 1880 nicht nur Juden teil, sondern auch Vertreter der preußischen Regierung und der beiden großen Kirchen sowie der Oberbürgermeister, Stadtverordnete und Direktoren der Schulen. 5 10 5 10 15 5 10 15 M 1 „Täuschen wir uns nicht“ Der 1834 geborene Historiker und Politiker Heinrich von Treitschke schreibt im November 1879 in den „Preußischen Jahrbüchern“: Über unsere Ostgrenze [...] dringt Jahr für Jahr aus der unerschöpfl ichen polnischen Wiege eine Schar streb samer hosenverkaufender Jünglinge herein, deren Kinder und Kindeskinder dereinst Deutschlands Börsen und Zeitungen beherrschen sollen; die Einwanderung wächst zusehends, und immer ernster wird die Frage, wie wir dies fremde Volkstum mit dem unseren verschmelzen können. [...] Täuschen wir uns nicht: Die Bewegung ist sehr tief und stark […]. Bis in die Kreise der höchsten Bildung hinauf, unter Männern, die jeden Gedanken kirch licher Unduldsamkeit oder nationalen Hochmuts mit Abscheu von sich weisen würden, ertönt es heute wie aus einem Munde: Die Juden sind unser Unglück! Karsten Krieger (Bearb.), Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879-1881. Eine Kontroverse um die Zugehörigkeit der deutschen Juden zur Nation. Kommentierte Quellenedition, Teil 1, München 2004, S. 11 und 14 M 2 Eine Antwort Der am „Jüdisch-Theologischen Seminar“ in Breslau lehrende Historiker Heinrich Graetz antwortet Treitschke am 7. Dezember 1879 in der „Schlesischen Presse“: Der Genius* des deutschen Volkes möge Ihnen verzeihen, dass sie das unüberlegte Wort ausgesprochen haben: Die Juden seien ein Unglück für das deutsche Volk. Sie stellen damit diesem Volke ein wenig schmeichelhaftes Zeugnis aus, das dieses in seiner Kernhaftigkeit mit Unwillen zurückweisen wird. Wie? 40 Millionen Deutsche sollen in Gefahr sein, von einer Handvoll Juden korrumpiert** und entsittlicht zu werden? Es ist ein Schimpf, den Sie ihnen antun, wie Sie überhaupt dieses Heldenvolk beleidigen, indem Sie ihm volles Nationalgefühl absprechen. […] Glücklicherweise stehen die Sachen anders. Die Bewegung gegen die Juden ist keinesfalls tief und groß. Zählen oder wägen Sie die judenfeindlichen Stimmen, denen Sie sich zugesellen – auch ohne Vergleich mit den judenfreundlichen – und Sie müssen fi nden, dass sie ebenso vereinzelt wie wenig bedeutend sind. Karsten Krieger (Bearb.), Der „Berliner Antisemitismusstreit“ 1879-1881, a. a. O., S. 96 f. * Genius: schöpferisch begabter Geist ** korrumpieren: verderben M 5 Eine gelungene Integration? Der Historiker Olaf Zucht schreibt 2001 über die Eingliederung der Juden in Erfurt: Die Einbindung jüdischer Bürger in das Vereinsund später Parteiwesen der Stadt sowie in die kommunale Selbstverwaltung geschah relativ früh. Allerdings wurde festgestellt, dass vorwiegend Mitglieder der jüdischen Oberschicht Eingang in die bedeutenden städtischen Vereine erlangten. Für die Zeit nach 1871 war ein allgemeiner Rückzug aus dem lokalen Vereinswesen zu konstatieren*, was nicht zuletzt einem wachsenden […] Antisemitismus geschuldet war. Als Reaktion bildete sich ein reichhaltiges innerjüdisches Vereinswesen. In der kommunalen Selbstverwaltung konnten die jüdischen Stadtratsmitglieder für die Stadtentwicklung entscheidende Dinge wie die Entfortifi kation** und die infrastrukturelle Weiterentwicklung*** über die alten Stadtgrenzen hinaus mit vorantreiben. Auf ökonomischem Gebiet, aber auch in allen gesellschaftlich-sozialen Gebieten konnten damit Ansätze oder Beispiele für eine gelungene Integration der jüdischen Minderheit festgestellt werden. Olaf Zucht, Die Geschichte der Juden in Erfurt von der Wiedereinbürgerung 1810 bis zum Ende des Kaiserreiches, a. a. O., S. 317 * konstatieren: feststellen ** Entfortifi kation: Beseitigung der alten Stadtmauern *** infrastrukturelle Weiterentwicklung: Ausbau des Verkehrsnetzes und der Wirtschaft ˘ Internettipp: http://alte-synagoge.erfurt.de/jle/de/ jgemeinde/19jahrhundert M 3 Die jüdische Bevölkerung Erfurts Jahr Juden Prozent der Bevölkerung 1840 144 0,51 1871 313 0,7 1 1890 821 1,00 1900 821 0,84 Nach: Olaf Zucht, Die Geschichte der Juden in Erfurt von der Wiederein bürgerung 1810 bis zum Ende des Kaiserreiches. Ein Beitrag zur deutsch-jüdischen Geschichte Thüringens, Erfurt 2001, S. 81 f. 4492_1_1_2013_268_277.indd 277 28.02.13 15:11 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g tu m d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |