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Ausblick – Mit Material arbeiten 285 1. Beschreibe, worin Stresemann Reiz und Verführung eines Warenhaus besuches sieht (M 1). Prüfe, ob es heute noch ähnliche Erscheinungen gibt. 2. Versetzt euch in die Lage eines Berliner Arbeiterpaares um 1900 und notiert seine möglichen Gedanken bei einem Rundgang durch das Kauf haus. M 2 Lichthof mit Brunnen des Kaufhauses Wertheim in Berlin. Foto von 1906. 5 10 15 20 25 30 35 M 1 Waren und Träume Über das 1897 in Berlin erbaute Kaufhaus Wertheim am Leipziger Platz schreibt der spätere Außenminister Gustav Stresemann 1900: Wenn man heute in einer Familie hört: Wir gehen zu Wertheim, so heißt das nicht in erster Linie wir brauchen ir gendetwas besonders notwendig für unsere Wirtschaft, sondern man spricht wie von einem Ausfl uge, den man etwa nach irgendeinem schönen Orte der Umgebung macht. Man wählt sich dazu einen Nachmittag, an dem man möglichst viel Zeit hat, verabredet sich womöglich noch mit Bekannten. In der Leipzigerstraße angekommen, bewundert man erst eine ganze Zeit lang die Schaufenster, dann ergeht man sich in den Erdgeschossräumen, sieht sich die verschiedensten Auslagen an, kauft vielleicht hier und da, lässt sich mit dem Fahrstuhl nach dem ersten Stock befördern und nimmt womöglich eine Tasse Schokolade nebst dem obligaten Stück Torte oder Apfelkuchen. Hat man Bekannte gefunden oder mitgebracht, so bleibt man wohl plaudernd längere Zeit sitzen, zeigt die gegenseitigen Einkäufe und reizt sich dadurch gegenseitig zu neuen Ausgaben. Die Zeit verfl iegt […], und wenn man an der Uhr plötzlich sieht, dass es höchste Zeit sei heimzukehren, so macht man oft wohl gleichzeitig die Wahrnehmung, dass man anstatt der einen Krawattenschleife, die man anfänglich kaufen wollte, mit einem ganzen Bündel der verschiedenartigsten Sachen beladen ist. Eine Zeit lang spürt man dann vielleicht Reue und nimmt sich vor, nicht wieder so leichtsinnig zu sein, aber sobald man das Warenhaus betreten hat, um einen kleinen Einkauf zu machen, wiederholt sich das Schauspiel aufs Neue. Der sozialdemokratische Politiker Paul Göhre bemerkt 1907 über Wertheim: Unwillkürlich kommt einem der Vergleich mit einem modernen Ozeandampfer in den Sinn. Beide Bauten von riesigen Dimensionen, in deren Innern jedes Plätzchen auf das sorgfältigste und überlegteste ausgenutzt, in die das komplizierte Leben der heutigen Gesellschaft zusammengepresst ist. Beide, Ozeandampfer wie Warenhaus, ein Triumph moderner, gesellschaftlich organisierter menschlicher Arbeit. Zit. nach: Axel Kuhn, „Verkauf von Waren und Träumen“, in: August Nitschke u. a. (Hrsg.), Jahrhundertwende. Der Aufbruch in die Moderne 1880 1930, Bd. 2, Reinbek 1990, 61 f. und 65 4492_1_1_2013_278_287.indd 285 28.02.13 15:11 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g tu m d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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