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27Imperialismus und Erster Weltkrieg ó Das Deutsche Reich fühlte sich um 1910 „ein gekreist“. Im Ausland sprach man von einer „Auskreisung“ Deutschlands. Prüft, was für die eine oder andere Sichtweise spricht (Abb. 2). Diskutiert, welche die Lage besser kennzeichnet. 2 Die Bündnisse um 1910. Der Dreibund und Italien Das Bündnis Italiens mit dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn, der Dreibund, war brüchig geworden. Die italienische Regierung setzte eine Änderung des Vertrages durch und vereinbarte mit der französischen Regierung 1902 ein geheimes Neutralitätsabkommen. Damit hatte der Dreibund die ursprünglich gegen Frankreich gerichtete Spitze verloren. Neue Bündnisse Die deutsche Regierung versuchte, das britisch-französische Einvernehmen zu stören. Sie wollte Frankreich auf einen anderen politischen Kurs bringen. Die Führung des Reiches machte Marokko zum Prüfstein der „Entente cordiale“. Im März 1905 besuchte der Kaiser die marokkanische Hafenstadt Tanger und gab dort eine Garantie erklärung für die Unabhängigkeit des Landes ab. Sie sollte Frankreich zeigen, dass es ohne deutsche Zustimmung in Marokko nichts durchsetzen könne. Die dadurch ausgelöste Krise konnte erst 1906 auf einer internationalen Konferenz beigelegt werden. Marokko blieb zwar unabhängig und für den weltweiten Handel frei, doch erhielten Frankreich und Spanien die Polizeigewalt in den Häfen. Das kam einer informellen Kolonialherrschaft gleich. Weniger das Ergebnis der Konferenz als deren Zustandekommen erwies sich für die deutsche Diplomatie als schwere Niederlage. Es hatte sich gezeigt, dass das Deutsche Reich mit seinen Ansichten fast allein stand. Nur Österreich-Ungarn hatte auf der Konferenz zu ihm gehalten. Während sich das deutsch-britische Verhältnis wegen des immer umfangreicheren Flottenbaus verschlechterte, wurde die deutsche Regierung 1907 ein weiteres Mal überrascht: Auch Groß britannien und Russland legten ihre kolonialen Streitigkeiten bei. Sie schlossen eine „Entente“, die dem britisch-französischen Einvernehmen von 1904 ähnelte. Ihr Ziel war es, Spannungen zu beseitigen, die durch die konkurrierenden Interessen in Afghanistan, Persien und China entstanden waren. Die deutsche Regierung sah in dieser Verein barung einen weiteren Versuch, das Reich „einzukreisen“. In ihren Augen ergänzte die Verein barung die britisch-französische von 1904 sowie die französisch-russische von 1892/94 zur Triple Entente („Einvernehmen von drei Staaten“). Mit ihr und dem geschwächten Dreibund standen sich in Europa zwei Blöcke misstrauisch gegenüber. Der „Panthersprung“ 1911 brach die zweite Marokko-Krise aus. Frankreich hatte nach Unruhen die marokkanische Hauptstadt Fes besetzt. Die deutsche Regierung erklärte, dies sei ein Bruch der Bestimmungen von 1906. Sie entsandte das Kanonenboot „Panther“ in den westmarokkanischen Hafen Agadir, um dort angebliche deutsche Handelsinteressen zu schützen. Tatsächlich beanspruchte sie mit dem „Panthersprung“ einen Teil Marokkos und versuchte, Frankreich zur Aufgabe seines Kolo nialgebietes zu zwingen. Doch auch diesmal stand Großbritannien an Frankreichs Seite. Das Deutsche Reich gab nach, um den Frieden zu bewahren. Es erhielt zwar zum Ausgleich für die Anerkennung der Interessen Frankreichs Teile des französischen Kongo, doch dies stellte viele deutsche Politiker und Militärs nicht zufrieden. Sie fühlten sich um einen Erfolg gebracht und setzten sich für weitere Rüstungsanstrengungen ein. Auf der anderen Seite führte das deutsche Vorgehen zu einer engeren militärischen Zusammenarbeit zwischen Frankreich und Großbritannien. Paris Berlin Wien London Rom Bukarest St. Petersburg ÖSTERREICHUNGARN RUMÄNIENITALIEN RUSSISCHES REICH GROSSBRITANNIEN FRANKREICH MAROKKO Agadir DEUTSCHES REICH 4493_1_1_2014_010_053_kap1.indd 27 07.04.14 13:53 Nu r z u rü fzw ec ke n E g nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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