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Wein gegen Tuch – doch nur einer gewinntM 3 Die Wahl der Güter war nicht zufällig. Genau um diese zwei Produkte ging es rund hundert Jahre früher in dem zwischen England und Portugal vereinbarten Methuen-Vertrag, so benannt nach dem damaligen englischen Botschaft er in Portugal. Ihm gelang es, mit den Portugiesen einen Vertrag auszuhandeln, in dem dieses sich dazu verpfl ichtete, die zum Schutz ihrer eigenen Tuchindustrie erhobenen Importzölle für englisches Tuch massiv abzubauen. Im Gegenzug behandelte England portugiesischen Wein mit einem Vorzugszoll, der um ein Drittel geringer war als jener auf Weine aus anderen Ländern. Für die Portugiesen war die Vertragsunterzeichnung allerdings nicht ganz freiwillig. Sie waren auf militärische Unterstützung der Engländer gegen die Spanier angewiesen. Gemäß der Th eorie der komparativen Vorteile hätte sich mit diesem Vertrag die Situation in beiden Ländern verbessern sollen. Das geschah zwar in England. In Portugal jedoch kam es innerhalb kurzer Zeit zur vollständigen Vernichtung der Tuchindustrie, weil das Land mit englischem Tuch überschwemmt wurde. Der Export portugiesischen Weins nach England erhöhte sich dagegen nur langsam. Das führte zu einem stetigen Goldzufl uss nach England, da die Portugiesen mit Gold bezahlten. So leistete der Methuen-Vertrag einen nicht unwesentlichen Beitrag zum Aufstieg Englands zur Weltmacht – und zum Abstieg Portugals zu einer wirtschaft lichen Randregion. Ricardo hat also zur Erklärung seiner Th eorie ein Beispiel gewählt, bei dem sie versagt. Schon die Auswahl dieser beiden Güter sollte einen stutzig machen. Ricardo geht davon aus, dass auch die Engländer Wein produzieren könnten, sich aber wegen des komparativen Vorteils ganz auf die Tuchproduktion konzentrieren sollten. Einen Weinanbau in nennenswerter Größe und Qualität hat es in England aus klimatischen Gründen nie gegeben. Während die Briten mit der Ausdehnung der Tuchproduktion also nicht auf den Weinanbau verzichten mussten, waren die Portugiesen gezwungen, ihre eigene, erfolgversprechende Tuchindustrie aufzugeben. Portugal hätte de5 10 15 20 25 30 35 40 tion. Denn bei der Weinproduktion brauchen die Portugiesen nur ein Fünft el (zwei statt zehn Stunden) der englischen Arbeitsstunden, während sie bei der Tuchproduktion vier Fünft el (vier statt fünf Stunden) benötigen. Portugal hat also einen vergleichsweise größeren Vorteil bei der Herstellung von Wein und England einen vergleichsweise kleineren Nachteil bei der Herstellung von Tuch. Der Lateiner würde statt von vergleichsweise von komparativ sprechen. Also formuliert der Ökonom: Beide Länder haben bei jeweils einem Produkt einen komparativen Kostenvorteil. Nach: Günter Schiller, Wirtschaft macchiato, 2011, S. 159 f. David Ricardo (1772 –1823) 45 40 45 50 155 82002_1_1_2015_148_167_Kapitel6.indd 155 15.05.15 11:19 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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