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65 Bitter, aber nicht hoffnungslos Der Traum von Nationalstaaten auf der Grundlage freier Verfassungen war 1849 nicht nur in Deutschland gescheitert, sondern auch in anderen europäischen Staaten wie in Ungarn. Dort hatte Österreich mit Hilfe russischer Truppen den Freiheitskampf im August 1849 niedergeschlagen. Die deutschen Fürsten stellten den Obrigkeitsstaat wieder her. In den meis ten Einzelstaaten nahmen sie die Ver fassungsreformen von 1848 zurück, schränkten die Presseund Versammlungsfreiheit wieder ein und lös ten die Landesparlamente auf. Trotzdem: Nach 1848 gab es außer Österreich keinen deutschen Staat mehr, in dem ohne eine geschriebene Verfassung regiert wur de. Über all beschränkten Parlamente oder Ständevertretungen die Macht der Fürsten. Auch einige soziale Reformen wie die Ablösung grundherrlicher Rechte blieben bestehen. In Preußen machte das vom König erlassene Drei-Klassen-Wahlrecht ab 1850 die Höhe der Steuerleistung zum Maßstab der Wahlberechtigung. Die Folge war, dass die wenigen Großsteuerzahler der ersten Klasse (etwa fünf Prozent der Wahlberechtigten) ebenso viele Abgeordnete wählen konnten wie die Masse der Bevölkerung (rund 80 Prozent der Wahlberechtigten). Doch selbst dies war im Vergleich zu früher fortschrittlich. Es blieb bis 1918 in Preußen gültig. Flucht und Auswanderung Nach dem Sieg der Gegenrevolution verließen tausende Deutsche ihre Heimat. Allein aus dem kleinen Baden emigrierten* 80 000 Menschen. Vor allem Studenten, Professoren, Journa lis ten und andere Intellektuelle, die sich für einen demokratischen Nationalstaat eingesetzt und bei der Volkserhebung beteiligt waren, packten ihr Bündel und flohen in die Schweiz oder wanderten nach Nord amerika aus. Noch einmal: Kleindeutsch oder großdeutsch? Der preußische König hatte zwar die Kaiserkrone abgelehnt, doch das hinderte ihn nicht, mit einigen Fürsten über ein kleindeutsches Reich zu verhandeln. Seinen Plänen stimmten zahlreiche Regenten zu. Bayern, Sachsen und Württemberg wehrten sich gegen eine preußisch geführte Union. Sie forderten 1850 in München einen großdeutschen Zusammenschluss mit der ganzen Donau monar chie. Auch in Wien wurde ein von Österreich geführtes großdeutsches Reich angestrebt. Die Auseinandersetzungen zwischen Österreich und Preußen spitzten sich zu. Ein bewaffneter Konflikt schien bevorzustehen. Der preußische König gab nach, als Russland drohte, auf Seiten Österreichs einzugreifen. Im Vertrag von Olmütz (1850) nahm er von den Unions-Plänen Abschied. Stattdessen vereinbarten die Fürsten als Kompromiss, den Deutschen Bund wiederzubeleben. * emigrieren: aus politischen, wirtschaftlichen oder religiösen Gründen auswandern 2 „Germania 1850.“ Radierung (35 x 49,1 cm) von Julius Hübner, 1850. Das Zitat (oberund unterhalb des Bildes) stammt aus den Klageliedern des Jeremia, die im Alten Testament stehen. Das Blatt drückt die ganze Enttäuschung der Liberalen aus. Begründe! Siehe dir dazu nochmals auf Seite 60 die Abb. 1 an. 4743_065_080_q7.qxd 12.08.2016 8:01 Uhr Seite 65 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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