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2. a Der Tag des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland wird jedes Jahr begangen, gemäß der Anweisung der Regierung. Zitiert nach: Bella Gutterman und Avner Shalev (Hrsg.), Zeugnisse des Holocaust. Gedenken in Yad Vashem, Göttingen 2006, S. 16 f. b) Der israelische Autor und ehemalige Vorsitzende des israelischen Parlaments Avraham Burg äußert sich 2009 in seinem Buch „Hitler besiegen“ über die israelische Politik: Die Shoah ist in unterschiedlichem Maße in nahezu alle politischen Argumente Israels eingefl ochten. Im Gegensatz zu anderen Ereignissen der Vergangenheit rückt die Shoah nicht weiter in die Ferne, sondern kommt uns ständig näher. Es ist eine präsente Vergangenheit, die erhalten, überwacht, gehört und dargestellt wird. Kurz nach dem Sechs-Tage-Krieg [...] prägte [Außenminister Abba Eban] einen Begriff, der noch heute gängig ist; er bezeichnete Israels Waffenstillstandslinien von 1949 als „Auschwitz-Grenzen“ – enge Grenzen, die Israel zum Handeln zwängen. Rückblickend verknüpfte er den wundersamen Befreiungskrieg mit der fi nsteren Epoche, die ein Vierteljahrhundert vorher geendet hatte, und stellte dem strahlenden israelischen Licht die tiefschwarze Finsternis gegenüber, die sich über die staatenlosen Juden gesenkt hatte. Sechs Tage der Erlösung gegen zwölf Jahre Unterdrückung. Avraham Burg, Hitler besiegen. Warum Israel sich endlich vom Holocaust lösen muss, Frankfurt am Main 2009, S. 36 c) In einer Buchbesprechung über Avraham Burgs „Hitler besiegen“ des Tagesspiegel vom 21. September 2009 heißt es: Anders als die Sprengstoffanschläge palästinensischer Attentäter erschüttert dieses Buch das Fundament des zionistischen Establishments, das für Staatsgründung und Staatsführung verantwortlich ist, bis ins Mark. […] Der in Israel geborene Avraham Burg war bis vor Kurzem ein Pfeiler des Zionismus und der politischen Führung des Landes. […] Die Hauptthese ist, dass Israel sich auf einem gefährlichen Irrweg befi nde, weil es den Holocaust zu einem „theologischen Pfeiler der jüdischen Identität“ gemacht habe und in der Opferrolle verharre – obwohl die Juden über einen starken Staat und mehr Macht als je zuvor in der Geschichte verfügen. […] Eine Folge laut Burg: Israel habe „Muskeln entwickelt, keine Seele“. Man setze auf Gewalt und militärische Macht, was angesichts der feindlichen Gesinnung vieler gegenüber Israel in der Region vielleicht verständlich sei. Doch man verkenne, dass die Welt sich seit 1945 grundlegend verändert habe: Die internationale Staatengemeinschaft habe sich die Lehre des „Nie Wieder“ zu eigen gemacht, sodass Israel beispielsweise nicht allein einem bedrohlichen Iran gegenüberstände. Stattdessen sei die Shoa zur Entschuldigung und „Triebkraft jeglichen Handelns“ stilisiert worden. […] Doch Burg geht es um die politische Instrumentalisierung des Holocaust. Anschaulich illustriert er seine These, dass das Beharren auf dem Alleinvertretungsanspruch Israels für Opfer und Gedenken – die Mehrheit der Juden lebt außerhalb des jüdischen Staates – und die gezielte Kultivierung der Umzingelungsmentalität verhindere, dass Israel sich aus der politischen Sackgasse befreit, in der es steckt. Und eine öffentliche Debatte über die Zukunft Israels ermöglicht, die nach Ansicht Burgs so dringend nötig ist. […] Das größte Entsetzen in Israel haben jedoch die Vergleiche Burgs zwischen den politischen, sozialen und nationalen Strukturen in Israel heute und denen im Deutschland zwischen Reichsgründung und dem Ende der Weimarer Republik ausgelöst. Staatsgründung durch Waffengewalt, Niederlage und Demütigung, die zu Militarismus und Rachegedanken führen, Ausgrenzung von Minderheiten – „gewisse Momente der israelischen Erfahrung weisen große Ähnlichkeit auf“ mit der „langen Inkubationszeit, die dem Nationalsozialismus voranging“, schreibt Burg provozierend. Diese Vergleiche sind grob und leicht zu widerlegen – wie die meisten historischen Analogien, was Burg selbst einräumt. Doch hier spricht der radikale Therapeut, der seine Gesellschaft durch Schmerzzufügung aufrütteln will: Israel sei aufgrund seiner Geschichte nicht automatisch gefeit gegen Irrwege. Andrea Nüsse, Hitler besiegen. Seele statt Muskeln, in: www.tagesspiegel.de/ kultur/literatur/seele-statt-muskeln/1603320.html [27. 03. 2013] 1. Fassen Sie die Zielsetzung des „Gesetzes zur Erinnerung an Holocaust und Heldentum“ in Text a) zusammen. 2. Überlegen Sie, warum die Knesset der Gründung der Gedenkstätte ein Gesetz zugrunde gelegt hat. Welche Bedeutung kommt Yad Vashem damit zu? 3. Arbeiten Sie aus den Texten b) und c) die Thesen Avraham Burgs heraus, die er in seinem Buch vertritt. Nehmen Sie dazu Stellung. 4. Diskutieren Sie die abschließend nach Burg zitierte Aussage, „Israel sei aufgrund seiner Geschichte nicht automatisch gefeit gegen Irrwege“. 5. Verfassen Sie einen Leserbrief an Avraham Burg aus der Sicht eines israelischen Kritikers. Beurteilen Sie beide Positionen. 6. In der arabischen Presse wurden Burgs Äußerungen gefeiert und sogar als ein Beweis für das nahende Ende des Zionismus und des israelischen Staates angesehen. Erläutern Sie, warum. 55 60 65 70 75 80 85 90 95 100 105 110 115 143Die Gründung des Staates Israel Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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