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159 Vom Kubismus zur Abstraktion Nachdem Einstein neue Dimensionen für Zeit und Raum erkannt hatte, begannen einige Maler die bisher vertraute perspektivische Einheit von Körper und Raum teilweise oder ganz aufzulösen. Der Katalane Pablo Picasso, der zum überragenden Maler in der ersten Hälfte des 20. Jh. werden sollte, zerlegte in seinen frühen Bildern die Gegenstände in vereinfachte geometrische Teile und Ebenen (sogenannte „Kuben“: Würfel) und prägte damit den Kubismus. Die Aufhebung der bisherigen Zentralperspektive und des dreidimensionalen Raums führte zum Verzicht auf Bild elemente, die der äußeren Wirklichkeit entstammten. Diese Lösung vom Gegenständlichen und die starke Vereinfachung der Formen nennt man Abstraktion. 1910 malte der Russe Wassily Kandinsky in München das erste abstrakte (gegenstandslose) Aquarell. Seine Arbeiten bildeten nicht mehr das ab, was zu sehen war, sondern schufen durch ihre Farben und Linien neue (Kunst-) Wirklichkeiten. Wie die moderne Physik unsichtbare Strahlen nutzte, die Psy choanalyse das Unbewusste der See le aufdeckte, so versuchte die moderne Kunst nun, „Unsichtbares“ wie Gefühle sichtbar zu machen. 3 Weberzug. Radierung (21,7 x 29,3 cm) von Käthe Kollwitz, 1897. Nachdem die 30-jährige Künstlerin das Drama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann gesehen hatte, griff sie das Motiv der leidenden, aufständischen und schließlich unterliegenden Weber in ihrer Bilderfolge „Ein Weberaufstand“ auf. 1898 verweigerte Wilhelm II. der Künstlerin wegen dieser Bilder eine bereits zugespro chene Auszeichnung. Noch weiter gingen um die Jahrhundertwende einige Dichter, die die Wirklichkeit möglichst naturgetreu abbilden wollten. Ein Höhepunkt dieses Naturalismus ist das Drama „Die Weber“ von Gerhart Hauptmann. Es zeichnet das Elend der schlesischen Weber und damit die Schattenseiten der frühen Indus trialisierung genau und schonungslos nach.* Eindruck oder Ausdruck? Ebenso um die Jahrhundertwende entstanden weitere neue Kunstrichtungen, die weder „erbauen“ noch die Wirklichkeit wiedergeben wollten. Den einen ging es darum, den Eindruck (frz: impression) eines bestimmten Augenblicks festzuhalten. Von diesen Impressionisten setzten sich die sogenannten Expressionisten ab, die leidenschaftlichen Ausdruck und kompromisslose innere Wahrhaftigkeit anstrebten. Vor allem der Expressionismus erfasste nach 1910 alle Künste: Malerei, Bildhauerei, Literatur, Tanz, Musik und Schauspielkunst, später auch Film und Architektur. Die herrschenden konservativ-nationalen Kreise der wilhelminischen Gesellschaft akzeptierten den Realismus; Naturalismus, Impressionismus und Expressionismus lehnten sie aber heftig als „Rinnsteinkunst“ oder „Farbklekserei“ ab. * Lies dazu auch die Seiten 64 und 117. ■Internettipp ➜ Zur Kunst und Kultur zwischen 1900 und 1914 siehe www.dhm.de/lemo/html/kaiserreich/kunst/ index.html 4 „Blaues Pferd I.“ Expressionistisches Gemälde (112,5 x 84,5 cm) von Franz Marc, 1911. 4753_145_160 03.11.16 07:49 Seite 159 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt m d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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