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25 Ohne Kniehosen, aber mächtig Nachdem die Verfassung von 1791 eingeführt worden war, wurde eine Gesetzgebende Nationalversammlung gewählt. Der überwiegende Teil der 745 Abgeordneten wollte Reformen auf der Grundlage der neuen Verfassung erarbeiten. Radikalere Abgeordnete forderten ein neues allgemeines Wahlrecht (unabhängig vom Einkommen). Sie waren gegen das Einspruchsrecht (Veto) des Königs bei der Gesetzgebung. Diese Abgeordneten wurden von der städtischen Volksbe wegung, den Sansculotten, unterstützt. Bald befand sich die Gesetz gebende Versammlung in einer Zwickmühle: Entweder kritisierte das Großbürgertum, dass ihre Beschlüsse zu weit gingen. Oder die Sans culotten übten Druck aus, weil sich für sie weder wirtschaftlich noch politisch etwas verbesserte. „Das Vaterland ist in Gefahr“ Zu den innenpolitischen Problemen kamen außenpolitische Sorgen. Österreich und Preußen hatten zum Schutz vor einer Ausweitung der Revolution ein Bündnis geschlossen und Truppen gegen Frankreich zusammengezogen. Um dem Einmarsch zuvorzukommen, zwang die Nationalversammlung Ludwig XVI., Österreich den Krieg zu erklären. Französ ische Heere zogen in fremde Länder, um in einem „Kreuzzug für die Freiheit der Welt“ die europäischen Völker von der Herrschaft absolutistischer Fürsten zu befreien.* Der Vorstoß der schlecht ausgerüsteten Truppen endete zunächst mit schweren Nieder lagen, und preußisch-österreichische Trup pen konnten bald die französischen Grenzen überschreiten. Ihr Befehlshaber, Carl Wilhelm Ferdinand zu Braunschweig und Lüneburg, drohte den Franzosen, die Stadt Paris zu vernichten, falls dem König oder seiner Fa milie Gewalt zugefügt würde. Nun erschien der König auch vielen ge mäßigten Politikern als Verbündeter der ins Land einmarschierenden Feinde. Was bringt die „Zweite Revolution“? Die städtische Volksbewegung nutzte die königsfeindliche Stimmung zu einer Zweiten Revolution. Sie löste die königstreue Stadtverwaltung gewaltsam auf und forderte die Absetzung des Königs. Wütende Volksmassen erstürmten am 10. August 1792 das Stadtschloss, in dem sich der Monarch mit seiner Familie aufhielt. Über 600 Soldaten der königlichen Garde wurden ermordet. Der König suchte mit seiner Familie Schutz im Abgeordnetenhaus. Doch die Versammlung musste den König auf Grund des Drucks der Bevölkerung gefangen nehmen lassen. Gleichzeitig erklärte sie den Monarchen für vorübergehend abgesetzt. Darüber hinaus stimmten die Abgeordneten nun Neuwahlen zu, bei denen alle Männer über 21 Jahre, unabhängig von einem Mindesteinkommen, wahlberechtigt sein sollten (allgemeines Männerwahlrecht). Blutiger September Den grausamen Höhepunkt dieser Phase der Revolution bildeten die Gewalttaten zwischen dem 2. und 5. September 1792. Teile der städtischen Volksbewegung drangen in die Gefängnisse ein und töteten viele Gefangene. Sie trieb die Furcht, dass die anrückenden Truppen sich mit den Inhaftierten zu einer Gegenrevolution verbünden könnten. Der Terror blieb nicht auf Paris beschränkt. Etwa 1 500 Menschen sollen den Gewalttätern zum Opfer gefallen sein. Die Sanscu lotten treiben die Revolution voran * Über die Auswirkungen der Revolution auf andere Länder siehe die Seiten 31 ff. 1 Sansculotten. Zeichnungen nach zeitgenössischen Vorlagen. Gegen die Kniehosen und Seidenstrümpfe des Adels und des Großbürgertums setzten die Sansculotten (franz. sans culottes: ohne Kniehosen) die langen Hosen. Zeichen ihrer Stärke waren die selbst gemachten Piken und Säbel. Ausdruck ihrer Solidarität war das brüderliche Du. Handwerker, Krämer, Schankwirte,Tagelöhner, Marktfrauen und Wäscherinnen zählten zu den Sansculotten. Zu ihren Führern gehörten Rechtsanwälte und Journalisten. Sie traten für niedrige Lebensmittel preise und ein allgemeines Wahlrecht ein, kämpften gegen den Klerus und gegen die „Reichen“. Ihr Ideal war eine Gesellschaft kleiner selbstständiger Händler und Gewerbetreibender. 4753_017_032 03.11.16 07:25 Seite 25 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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