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33 5 10 15 20 3 Erwartungen Ein Pfarrer aus dem badischen Oberland schreibt am 5. Juli 1796 in sein Tagebuch: Die Armen, sonderlich die liederlichen Armen, zum Teil auch Reiche, freuen sich sehr auf die Franzosen und äußern jetzt ihre Gedanken öffentlich. Sie erwarten eine gänzliche Umänderung der Welt und meinen, die Armen bekämen jetzt große Bauernhöfe, die Reichen würden ihre Tagelöhner. Alolf Schmitthenner, Das Tagebuch meines Urgroßvaters, Freiburg 1908, S. 106 2 „Wohlan, Freunde! Mitbürger!“ Eine französische Zeitung druckt Ende 1792 folgenden Brief, der angeblich von einem Pforzheimer Bürger stammt: Es leben die Franzosen, die uns das Beispiel der Freiheit gegeben haben, das auch wir uns bald zunutze machen werden. Ja, wir singen nun auch ça va*. Man fürchtet den Tyrannen nicht mehr, ganz laut spricht man von Freiheit und ein großer Teil der Bürger ist ganz außer sich vor Freuden, die bereits die Hoffnung auf bessere Zeiten in ihnen hervorbringt. Wohlan, Freunde! Mitbürger! Wir wollen uns die Freiheitskappen anschaffen! Wir wollen auf dem Marktplatz den Freiheitsbaum errichten! Die Franzosen, unsere Nachbarn, unsere Brüder, werden uns unterstützen, sie haben es ja uns versprochen. Zu uns werden sie kommen, die wackeren Franzosen, ja die Freiheit wird längs dem Rhein herauf, von der Unterpfalz bis nach Basel neue Eroberungen machen. Zit. nach: Helga Schnabel-Schüle, Ansteckungsgefahr und Prophylaxe. Die Französische Revolution und die napoleonische Territorialrevolution, in: Die großen Revolutionen im deutschen Südwesten, hrsg. von Hans Georg Wehling und Angelika Hauser-Hauswirth [...], Stuttgart 1998, S. 21 * ça va: es geht 1 Stilleben mit revolutionären Gegenständen. Collage (14,0 x 40,5 cm) von 1792. Sie befindet sich heute im Pflinzgaumuseum in Karlsruhe-Durlach. Oben rechts eine Kokarde (franz. cocarde: Verzierung), die von den Revolutionsan hängern getragen wurde. 5 Schützenscheibe auf die Franzö sische Revolution aus Schwäbisch Hall von 1792. Auftraggeber der Scheibe (Ø 68 cm) war der Haller Ratsherr Johann Fr. Hetzel. In der Mitte ist die französische Verfassung von 1791 („constitutio gallica“) aufgeschlagen. Daneben liegen u. a. zerbrochene königliche Insignien (Krone, Szepter, Orden und Lilienwappen) und zerstörte Standes symbole von Adel und Klerus (Schwert, Turnierhelm, Bischofsstab und Mitra). 5 4 Ein Verfassungsentwurf Im März 1799 wird in Basel eine Flugschrift gedruckt, die einen Verfassungsentwurf für ganz Deutschenland enthält. Er stammt von süddeutschen Republikanern, deren Mittel punkt um diese Zeit Württemberg ist. I. Rechte der menschlichen Gesellschaft 1. Jedem hat das Naturgesetz das Recht gegeben, das zu besitzen und zu genießen, was keinem andern gehört. Daher genießt jeder die Freyheit, welche dem gleichen Genuß-Rechte des andern nicht zuwider ist.* 2. Jeder trägt aus allen seinen Kräften dazu bey, jeden bey diesem Rechte zu erhalten.** […] II. Grundartikel der Verfassung des deutschen Freystaates 1. Die deutsche Völkerschaft ist ihr einziger Oberherr. Sie verfasst und vollzieht ihre Gesetze und strafet die Übertreter derselben. Theo Stammen und Friedrich Eberle (Hrsg.), Deutschland und die Französische Revolution: 1789-1806, Darmstadt 1988, S. 431 f. * Freiheit, Gleichheit, Eigentum ** Sicherheit, Ruhe, Gesellschaft 5 10 15 1. Überlege, wie die badische Regierung auf M 2 reagiert haben mag. 2. Arbeite den Widerspruch zwischen M 3 und M 4 heraus. 3. Vergleiche M 4 mit den Artikeln 1 und 2 der Verfassung von 1791 (siehe M 1, Seite 23). 4. Bestimme die Haltung der Künstler in M 1 und M 5. Beachte dabei die Entstehungszeiten. Begründe deine Aussagen. 4753_033_048 03.11.16 07:26 Seite 33 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d e C .C .B uc hn er V er la gs | |
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