Volltext anzeigen | |
Massenverhaftungen der Jahre 1938/39 – zum Ausgangspunkt der Deportationen in die Konzentrationsund Vernichtungslager wurden. Koordiniert und durchgeführt wurden diese „Aktionen“ von der „Reichszentrale zur Bekämpfung des Zigeunerunwesens“, die im Oktober 1938 gegründet worden war. In Lagern wie Dachau, Buchenwald, Ravensbrück oder Sachsenhausen kategorisierte man Angehörige dieser Minderheit dann als sogenannte „Rassenschänder“ oder „Asoziale“*. Ab März 1939 mussten die deutschen Sinti und Roma zudem besondere „Rasseausweise“ bei sich tragen, ihre Pässe wurden eingezogen. Der sogenannte „Festsetzungserlass“ vom Oktober 1939, der Sinti und Roma unter Androhung von KZ-Haft verbot, ihre Wohnorte zu verlassen, bildete schließlich die Grundlage für die massenhafte Deportation dieser Minderheit in das besetzte Polen ab Mai 1940. Emigration Zwischen 1933 und 1945 ergriffen allein im deutschsprachigen Raum über eine halbe Millionen Menschen die Flucht ins Ausland, um dem wachsenden Terror des NS-Regimes zu entgehen. Über 90 Prozent waren jüdischer Herkunft; die übrigen Emigranten gehörten zu den politischen Gegnern des Nationalsozialismus, die von Verfolgung und KZ-Haft bedroht waren oder wie viele Künstler und Wissenschaftler keine Existenzmöglichkeiten mehr hatten. Die jüdische Emigration vollzog sich in Schüben und erreichte 1938 nach dem „Novemberpogrom“ ihren Höhepunkt. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten etwa 130 000 Juden das Land verlassen; in den folgenden zwei Jahren fl ohen fast noch einmal so viele. Abgesehen davon, dass sie ihre Heimat nicht verlassen wollten, raubte ihnen der NS-Staat durch die Beschlagnahme von Besitz und Vermögen das notwendige Geld für die Auswanderung. Zusätzlich waren die Ausreisewilligen von den NS-Behörden sys tematischen Schikanen und Demütigungen im Kampf um die notwendigen Ausreisepapiere ausgesetzt: Sie mussten von Amt zu Amt laufen, stundenlang Schlange stehen, zermürbende Hinhaltetaktiken hinnehmen, hohe Auswanderungsabgaben entrichten und ein Visum des Ziellandes vorlegen, das nur über persönliche Kontakte vor Ort zu erhalten war. Mit Unterstützung ausländischer Hilfsorganisationen bemühten sich jüdische Hilfsvereine, die Ausreisewilligen zu beraten, Kontakte in alle Welt herzustellen und Mittel für die Auswanderung ins Exil zu beschaffen. Angesichts der wachsenden Flüchtlingsströme verschärften jedoch immer mehr Länder ihre Aufnahmebedingungen, da sie soziale und wirtschaftliche Belastungen befürchteten. Daneben sorgten in einigen Ländern Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus für die Durchsetzung strikterer Einwanderungsgesetze. Auch eine im Sommer 1938 im französischen Evian-les-Bains einberufene Flüchtlingskonferenz änderte an der Haltung des Auslandes nichts. Erst nach dem „Novemberpogrom“ öffneten wieder Länder ihre Grenzen in größerem Umfang für Juden. Bis September 1939 retteten sich 75 000 Flüchtlinge – darunter 10 000 Kinder ohne ihre Eltern – nach Groß britannien. Mit Beginn der systematischen Deportationen wurde Juden im Oktober 1941 offi ziell die Ausreise verboten. Viele unternahmen verzweifelte Versuche, illegal über die Grenzen zu gelangen, die meisten aber blieben zurück. Ab diesem Zeitpunkt waren die im Reich verbliebenen Juden den nationalsozialistischen Behörden, die die Deportation der jüdischen Bevölkerung organisierten, beinahe hilfl os ausgeliefert. u Jüdische Emigranten protestieren in New York gegen die Abschiebung. Foto vom 12. Juni 1936. Das jüdische Ehepaar Richter protestierte auf der amerikanischen Einwandererinsel Ellis Island gegen die drohende Abschiebung zurück nach Deutschland, weil es keine gültigen Einreisepapiere besaß. Lektüretipp Die österreichische Romani Ceija Stojka beschreibt in diesem Band, der anlässlich ihres 80. Geburtstages veröffentlicht wurde, ihre Erfahrungen als Kind in den Konzentrations und Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen sowie ihr Leben als junge Frau und Mutter im Österreich der Nachkriegszeit. Ceija Stojka starb im Januar 2013 in Wien. * Siehe S. 136. 113Ausgrenzung und Verfolgung N r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |