Volltext anzeigen | |
„Aktion Reinhardt“: Bezeichnung für die massenhafte Vernichtung jüdischer Männer, Frauen und Kinder in den Lagern Belzec, Sobibor und Treblinka ab Frühjahr 1942. Die Opfer kamen primär aus dem Generalgouvernement, aber auch aus Holland, Frankreich, Thrakien, Mazedonien und aus dem Lager Theresienstadt. Vermutlich wurde die Mordaktion nach dem Tod Heydrichs Anfang Juni 1942 nach ihm benannt. In den Lagern der „Aktion Reinhardt“ wurden die Menschen mit von Dieselmotoren erzeugtem Kohlenmonoxid getötet. Holocaust (griech. holócaustos: völlig verbrannt bzw. Brandopfer): wurde zunächst als Lehnwort ins Englische übernommen, gilt heute weltweit als Synonym für die systematische Ermordung von mindestens sechs Millionen europäischen Juden und anderen Opfergruppen. In der jüdischen Tradition wird für diesen Genozid der Begriff „Shoa“ (hebr. „Großes Unheil, Katastrophe“) verwendet, der sich jedoch ausschließlich auf die Judenvernichtung bezieht. 139Massenmord und Holocaust Noch vor dem Überfall auf die Sowjetunion erhielten die Einsatzgruppen und Polizeieinheiten Sondervollmachten, „in eigener Verantwortung gegenüber der Zivilbevölkerung Exekutivmaßnahmen zu treffen“. Auch die Gestapo, Bataillone der Ordnungspolizei, Brigaden der Waffen-SS und Angehörige der Wehrmacht, der Zivilverwaltung sowie Freiwilligenverbände aus den besetzten Gebieten beteiligten sich an den Massakern. Ab Juni 1941 ermordeten die Einsatzgruppen in den besetzten Gebieten der Sowjetunion mindestens 900 000 Menschen (u M3). Nahezu die ganze jüdische Bevölkerung der eroberten Gebiete, Sinti und Roma, Kriegsgefangene und Kommunisten wurden durch Massen erschießungen und durch Autoabgase in LKWs ge tötet (u M4, M5). Bei der größten dieser Mordaktionen in der Schlucht von Babi Jar bei Kiew im September 1941 starben innerhalb von zwei Tagen mehr als 33 000 Juden. Insgesamt wurden rund 2,4 Millionen sowjetische Juden ermordet. Am 20. Januar 1942 trafen sich hohe Verwaltungsbeamte, SS-Offi ziere und Staatssekretäre aus dem Innen-, Justizund Außenministerium unter der Leitung von Heydrich in einer Villa am Berliner Wannsee, um die „praktische Durchführung“ der bereits begonnenen „Endlösung der Judenfrage“ zu koordinieren. Laut Konferenzprotokoll der nach ihrem Tagungsort benannten „Wannsee-Konferenz“ sollten über elf Millionen europäische Juden ermordet werden. Im Osten mündeten die Massaker und Exekutionen schon zu diesem Zeitpunkt in einen industriell betriebenen Massenmord. Bereits im Frühjahr 1940 war auf polnischem Boden das größte Konzentrationsund spätere Vernichtungslager Auschwitz errichtet worden. Die Planungen für die Vernichtungslager gehen auf das Jahr 1941 zurück. Das erste dieser Lager wurde im Warthegau mitten im Dorf Kulmhof (Chelmno) auf Initiative des Gauleiters Arthur Greiser im Dezember 1941 eingerichtet. Mit Belzec, Sobibor und Treblinka entstanden im Jahr 1942 weitere Vernichtungslager im Generalgouvernement. Im Gegensatz zu den Menschen, die die Transporte nach Auschwitz bzw. Auschwitz II (Birkenau) überlebt hatten und vor Ort für den Tod in den Gaskammern oder zur Zwangsarbeit „selektiert“ wurden, wurden die zumeist polnischen Juden nach ihrer Ankunft in Chelmno und den Vernichtungslagern der „Aktion Reinhardt“ fast ausnahmslos sofort getötet. Nur wenige, die man für Hilfsarbeiten benötigte, ließ man zunächst am Leben. Noch „arbeitsfähige“ Personen hatte man bereits vorher in den Ghettos für die Zwangsarbeit ausgewählt. In Belzec wurde der Massenmord im Dezember 1942 eingestellt, Sobibor und Treblinka wurden Ende 1943 geschlossen. Die Deportationszüge aus allen Teilen Europas rollten bereits seit Mitte des Jahres 1942 nach Auschwitz, ab Sommer 1943 fuhren nahezu alle Züge dorthin (u M6). Neben dem massenhaften Mord in den Gaskammern durch das Blausäurepräparat Zyklon B starben die Häftlinge dort von Beginn an auch durch extrem harte und gefährliche Zwangsarbeit, Folter, medizinische Versuche und unmenschliche Lebensbedingungen. Nahezu eine Millionen jüdische Opfer sind für Auschwitz dokumentiert, zwischen 870 000 und 925 000 wurden zwischen Juli 1942 und August 1943 in Treblinka ermordet, ca. 435 000 zwischen März und Dezember 1942 in Belzec, etwa 160 000 bis 200 000 von April bis Juni 1942 und von Oktober 1942 bis Oktober 1943 in Sobibor, 152 000 in Kulmhof, zwischen 80 000 und 110 000 in Lublin-Majdanek, vermutlich 65 000 in Maly Trostinez. Als seit 1944 die Ostfront näher rückte und die Lager im Osten auf Befehl Himmlers geräumt wurden, kamen zudem unzählige KZ-Insassen auf den grausamen „Todesmärschen“ in den Wes ten durch Hunger, Kälte oder die Schüsse von SS-Männen ums Leben. Insgesamt fi elen dem Holocaust mindestens 5,29 Millionen, wahrscheinlich aber knapp über sechs Millionen Juden aus ganz Europa zum Opfer, darunter mindestens 1,5 Millionen jüdische Kinder unter 14 Jahren. Lektüretipps p Hermann Langbein, Die Stärkeren. Bericht aus Auschwitz und anderen Konzentrationslagern, Wien 2008 p Primo Levi, Ist das ein Mensch? Ein autobiographischer Bericht, München 2010 p Elie Wiesel, Die Nacht. Erinnerung und Zeugnis, Freiburg 52013 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
![]() « | ![]() » |
» Zur Flash-Version des Livebooks |