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41Mit Karten arbeiten Formale Kennzeichen Die thematische Karte entstammt einem Geschichtsatlas und ist darin auf einer Doppelseite mit der Überschrift „Krisenherde in Europa nach 1918“ abgebildet. Sie ist im Jahr 2009 erstellt worden und spiegelt somit den aktuellen Forschungsstand wider. Karteninhalt Der abgebildete Raum umfasst Mittelund Osteuropa und den Nordostteil der Mittelmeerwelt. Die Eintragungen der Karte kombinieren drei verschiedene Sachverhalte: Mit Flächenfärbungen werden die im Raum vertretenen Sprachen angegeben. Sie sind nach Herkunft und Verwandtschaft zu Sprachfamilien gruppiert, für die jeweils ähnliche Farbtöne verwendet werden, etwa grün und gelb für slawische, blau für germanische, rot für romanische Sprachen. Mit Liniensymbolen werden die Staatsgrenzen im Kartenraum angegeben. Dicke, rote Linien markieren die Grenzen im Jahr 1914, vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Dünne, schwarze, unterbrochene Linien geben die staatsrechtlichen Ergebnisse der Friedenskonferenzen nach dem Ersten Weltkrieg wieder („Pariser Vorortverträge“). Mit roten Kreissymbolen sind Krisenherde eingetragen, die aus der europäischen Nachkriegsordnung resultierten. Die Konfl ikte sind mit einem Stichwort benannt, die Größe des Kreises scheint die geografi sche Ausdehnung und/oder die Intensität des Konfl iktes anzugeben. Historischer Kontext Die Niederlage der Mittelmächte im Weltkrieg hatte erhebliche territoriale Veränderungen zur Folge. Das Deutsche Reich sollte zu seiner Schwächung und zur Entschädigung seiner Gegner Gebiete verlieren. Das in Nationalstaaten zerfallende Österreich-Ungarn machte die Festlegung neuer Grenzen erforderlich. Schon während des Krieges hatte die Entente jenen Staaten, die sich auf ihre Seite schlugen, Gebietsgewinne nach dem Krieg versprochen. Ebenso war die Wiederherstellung eines polnischen Staates Ziel der Alliierten. Treibende politische Kraft im Darstellungszeitraum war der Nationalismus, der nach staatlicher Souveränität verlangte und eine machtpolitische Ausdehnung des eigenen Territoriums oder die Abwehr fremder Annexionen anstrebte. Intention und Bewertung Die Karte knüpft einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch von Konfl ikten und den neuen Grenzen. Als Begründung bietet sie die Gemengelage der Nationalitäten in Ostmitteleuropa an. Krisen entstehen demnach dort, wo Angehörige ethnischer Minderheiten unter die politische Herrschaft einer Mehrheitsbevölkerung geraten. Tatsächlich wurden auf den Friedenskonferenzen Grenzen gezogen, die oft keine Rücksicht auf die betroffene Bevölkerung nahmen: Die Abtretung großer Gebiete an Polen hat die dortige deutsche Bevölkerung ebenso verbittert wie die österreichischen Südtiroler ihre Annexion durch Italien. Die Kartierung der „Sprachverteilung“ vereinfacht jedoch die Verhältnisse. Die meisten Gebiete waren keineswegs ethnisch homogen besiedelt, abgebildet ist nur die jeweilige Mehrheit. Auch waren nicht alle Volksgruppen verfeindet oder verlangten nach Zugehörigkeit zu einem ethnisch einheitlichen Staat. Unbeleuchtet bleibt die Art der Krisen und ihre Akteure: Die Rheinländer leisteten passiven Widerstand gegen Anordnungen der alliierten Verwaltung, die Übernahme Siebenbürgens durch Rumänien ging mit Entrechtung und Enteignungen einher, Fiume wurde von einer paramilitärischen Truppe besetzt, Griechenland und die Türkei führten regulären Krieg. Die dargestellten Konfl ikte stehen in einem ursächlichen Zusammenhang mit den Pariser Vorortverträgen. Ob sie jedoch tiefere Wurzeln hatten, durch interessierte Kreise instrumentalisiert wurden oder durch andere Vertragsregelungen vermeidbar gewesen wären, muss für jeden Einzelfall entschieden werden. Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d s C .C .B uc ne r V er la gs | |
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