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Lerntipp 161 1. Zur Serie wurde vom ZDF eine Reihe von Zusatzangeboten entwickelt und im Internet veröffentlicht. Informiere dich aus den Materialien über die Serie und bearbeite die Fragen aus dem Leitfaden (siehe Seite 160). 2. Beurteile den Filmtitel „Unsere Mütter, unsere Väter“. 3. Erkläre, warum ein Film in Einzelheiten authentisch sein kann (M 3), aber dennoch ein problematisches Geschichtsbild vermitteln kann (M 4). 4. M 3 überprüft verschiedene Szenen auf ihre historische Authentizität. Wählt eine der genannten Szenen aus und diskutiert, wie ihr sie fi lmisch umsetzen würdet. Berücksichtigt z. B. Dialoge, Kleidung, Maske, Requisiten, Licht, Musik, Kameraeinstellungen usw. Überprüft anschließend, ob auf eure Umsetzung die Kritik in M 4 zutrifft. 5 10 15 20 25 30 35 40 45 5 10 15 20 25 30 M 3 „Erfi ndung oder tatsächlich geschehen?“ Nach Ausstrahlung der drei Folgen von „Unsere Mütter, unsere Väter“ geht der Journalist Sven Felix Kellerhoff Fragen über die Authentizität des Films nach: Der Wehrmachtsleutnant „Wilhelm“ ermordet einen gefangenen Rotarmisten per Kopfschuss. Kam so etwas vor? Ja, in vielen tausend Fällen. Der Kommissarbefehl vom 6. Juni 1941 sah vor, angebliche und tatsächliche Politoffi ziere der Roten Armee „abzusondern“ und zu „erledigen“. Vollzugsmeldungen verschiedener Divisionen beweisen, dass allein im ersten halben Jahr des Ostfeldzuges weit mehr als 10 000 „verdächtige Elemente“ erschossen wurden. Weitere Hunderttausende Gefangene übergaben Wehrmachtseinheiten entgegen dem Kriegsrecht an die SS, die sie liquidierte. Um einfachen Soldaten eine Lektion zu erteilen, erschießt der SS-Offi zier „Hiemer“ ein kleines Mädchen. Erfi ndung oder tatsächlich geschehen? Leute, die am Judenmord beteiligt waren, führten sich nachweislich auf wie die Herren über Leben und Tod. Sie töteten oft aus noch geringeren Anlässen als die Film fi gur „Hiemer“. Es gibt Zeitzeugenschilderungen, die der Szene im Film sehr nahe kommen. „Friedhelm“ schlägt vor, russische Bauern in einen verminten Sumpf zu treiben. Ist das realistisch? In einzelnen Gefechtsberichten von Wehrmachtseinheiten fi nden sich Hinweise auf derartiges Vorgehen. Viel öfter jedoch dürfte diese für jeden Soldaten erkennbar verbrecherische Vorgehensweise nicht festgehalten worden sein. Ob die Initiative von Gemeinen wie der Filmfi gur „Friedhelm“ ausging oder von ihren Offi zieren, ist unklar. „Viktor“ fl üchtet aus dem Deportationszug nach Auschwitz. War das möglich? Eindeutig ja. Zwar begleiteten einige Wachen, oft ältere Polizisten, die meisten Deportationszüge. Ihre Aufgabe war aber meist, bei den Stopps der Züge Fluchten zu verhindern. Das trotz der meist relativ geringen Geschwindigkeit der Züge gefährliche Abspringen während der Fahrt konnten sie nicht verhindern. Es sind Dutzende Fälle belegt, in denen sich Juden so in letzter Minute dem Massenmord entziehen konnten. Ein Erschießungskommando der Wehrmacht tötet russische Bauern, eine überlebende junge Frau tötet „Friedhelm“ aus nächster Nähe. Sind solche Taten belegt? Die Gefechtsberichte der meisten Wehrmachtseinheiten zu Einsätzen im „rückwärtigen Gebiet der Front“, bei der „Banden-“ oder der „Partisanenbekämpfung“, sind vage formuliert. Meist fi nden sich Gesamtzahlen der zivilen Opfer, aber keine Details, wie sie gestorben sind. Jedoch belegen andere Quellen, dass es vielfach zu solchen Erschießungen gekommen ist. Die Szene ist glaubwürdig. Sven Felix Kellerhoff, Diese Verbrechen begingen Deutsche in Russland, in: Die Welt, 23. März 2013 M 4 „Nazis sind immer die anderen“ Ulrich Herbert, Professor für Neuere Geschichte in Freiburg, schreibt in der Tageszeitung „taz“ zum Film: Das Problem des Films ist die Perspektive, der Blick auf die Geschichte, die allgemeine wie die individuelle. […] Die fünf Protagonisten sind wie aus der Zeit gefallen. Als der Film einsetzt, im Frühjahr 1941, hatte die Begeisterung für Hitler, den Nationalsozialismus und den Krieg nach dem Sieg über Frankreich gerade ihren Höhepunkt erreicht. Zu dieser Zeit, da sind sich alle Historiker einig, wurde das Regime von der großen Mehrheit der Deutschen unterstützt. Davon sieht man hier nichts. Nichts von dem Vertrauen und der Liebe, die Hitler gerade aus der Jugend entgegenschlug. Nichts von der festen Überzeugung, dass Europa von Deutschland beherrscht werden müsse. Und dass es besser wäre, die Juden wären weg. Nicht, dass sie umgebracht werden sollten – aber weg sollten sie sein. [...] Es ist offenbar nach wie vor nicht möglich, jemanden darzustellen, der mit hellem Sinn und fester Überzeugung – und ohne dabei abnorm zu wirken – für den Nationalsozialismus eintritt. […]. SD-Offi ziere* waren in der Regel gebildete und kultivierte Leute, die davon überzeugt waren, dass es richtig war, diesen Krieg zu führen und die Juden zu verfolgen und umzubringen. Die Vorstellung, dass der SD-Offi zier ein Kind erschießt, weil er eben ein asozialer Sadist ist, gehört eher zu den Lebenslügen unserer Geschichte. […] Unsere Väter und unsere Mütter waren eben nicht nur junge Leute, die einfach nur leben wollten, es wegen des Krieges aber nicht konnten, wie es der Film suggeriert. Es handelte sich um eine [...] Generation, die den Sieg des nationalsozialistischen Deutschland wollte, weil sie ihn für richtig hielt. [...] Ulrich Herbert, Nazis sind immer die anderen, in: die tageszeitung, 21. März 2013 *SD-Offi zier: Angehöriger des Sicherheitsdienstes, einer Eliteabteilung der Schutzstaffel (SS) 31013_1_1_2015_100_163_kap3.indd 161 26.03.15 15:30 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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