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177Deutschland und die geteilte Welt nach 1945 Das Trümmerfeld Weite Teile Europas lagen 1945 in Trümmern. Not und Hunger gehörten zum Alltag der Überlebenden. In den früher von Deutschen besetzten Gebieten der Sowjetunion und den Staaten Ostmitteleuropas waren die Schäden gewaltig. Deutschland schien im Mai 1945 nicht mehr zu bestehen. Millionen Deutsche waren bei Kriegsende unterwegs. Familien waren zerrissen, Frauen suchten ihre Männer, Eltern ihre Kinder, Kinder ihre Angehörigen. Soldaten kehrten in ihre zerstörten Wohnorte zurück. Flüchtlinge, Vertriebene und Ausgebombte waren auf der Suche nach einem Dach über dem Kopf. Kleine und große Nazis bemühten sich unterzu tauchen. Hinzu kamen zehn bis zwölf Millionen Displaced Persons. Das waren unter anderem die ausländi schen Zwangs arbeiter und Kriegsgefangenen, die während des Krieges ins Deutsche Reich verschleppt worden waren, um in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft zu arbeiten, und nun in ihre Heimat zurückkehren wollten. Stra ßen, Schienen und Brücken waren zerstört, Flüsse nicht passierbar, zahllose Lokomotiven, Waggons und Kraftfahrzeuge unbrauchbar. Not und Hunger In den zerbombten Städten herrschte Wohnungsnot. Ein Zimmer diente als Wohnraum für ganze Familien. Keller, Dachböden, Viehställe und Baracken wurden zu Notunterkünften umgestaltet. Kohle, Gas, Wasser und Strom fehlten. Die Hauptlast in dieser unmittelbaren Nachkriegszeit trugen die Frauen. Viele Männer waren gefallen. Elf Millionen deutsche Soldaten befanden sich bei Kriegsende in Gefangenschaft. Die Frauen mussten nicht nur für die Kinder und Alten sorgen, sondern auch die Trümmer beseitigen. Sie leisteten die ersten Wiederaufbauarbeiten unter besonders schwieri gen Bedingungen. Die Bevölkerung konnte nur unzureichend mit Lebensmitteln versorgt werden. Lebensmittelkarten und Bezugsscheine gab es in Deutschland seit Kriegsbeginn. War die durchschnittliche Kalorienration einer Person kurz vor Kriegsende bereits von 3 000 auf etwa 2 000 Kalorien abgesunken, halbierte sie sich bis Mitte 1946 noch einmal. Für einen „Normalverbraucher“ hieß dies beispielsweise, dass er täglich mit zwei Scheiben Brot, etwas Margarine, einem Löffel Milchsuppe und zwei Kartoffeln auskommen musste. Fehlende Maschinen und Düngemittel bewirkten schlechte Ern ten. Die vorhandenen Lebensmittel konn ten wegen der Zerstörung der Transportwege und -mittel kaum verteilt wer den. Der kalte Winter 1946/47 brachte Deutsch land an die Grenze einer Katas trophe. Bis 1948 machten viele Männer und Frauen mit Hungermärschen und -streiks auf ihre Not aufmerksam. Die Einfuhr von Nahrung und Kohle durch die Besatzungs mächte rettete vielen das Leben. Der Schwarze Markt Güter waren knapp, weil die Hersteller sie für Ersatzgeschäfte benötigten: Sie tauschten sie gegen Rohstoffe oder Lebensmittel für sich und ihre Belegschaften ein. Neben diesem „grauen“ entstand ein „schwarzer“ Markt. Dort wurden vor allem knappe Lebensmittel zu hohen Preisen verkauft oder gegen Wertsachen getauscht. So hätte ein Facharbeiter beispielsweise einen Monatslohn von etwa 250 Reichsmark hergeben müssen, um ein Pfund Butter zu erhalten. Mit Zigaretten hingegen konnte man auf dem Schwarzen Markt fast alles bekommen. Zwar war diese Form des Handels verboten, doch auch häufi ge überraschende Fahndungsaktionen (Razzien) der Besatzungsmächte sowie der Polizei änderten an diesen Verhältnissen nichts. Überleben in Ruinen 1 Gemüse vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Foto vom Sommer 1946. Nach Kriegsende fällten die Berliner die Bäume im Tiergarten und legten Beete mit Nutzpflanzen an. ˘ Lesetipps: • Willi Fährmann, Die Stunde der Lerche, Würzburg 2010 • Klaus Kordon, Ein Trümmersommer. Roman, Weinheim 182013 31013_1_1_2015_164_227_kap4.indd 177 26.03.15 15:31 Nu r z u Pr üf zw ck en Ei ge nt um de s C .C . B uc hn r V er ag s | |
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