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Ausblick – Mit Material arbeiten 269 M 1 „Schießt! Schießt!“ Der Schriftsteller Liao Yiwu (geb. 1958), dessen Werke in China verboten sind, schreibt über die Vorfälle vom 4. Juni 1989 in Peking: Schießt! Schießt! Auf die Alten, die Kinder und Frauen, schießt! Auf die Schüler, Arbeiter, Lehrer und Händler, schießt! Mäht sie nieder! Mäht sie nieder! Zielt auf die zornigen Gesichter, die entsetzten Gesichter, die verzerrten Gesichter, die bitteren Gesichter, die hoffnungslosen und die gleichmütigen Gesichter, mäht sie nieder! Mäht sie nieder nach Herzenslust! Diese Gesichter, von der Flut emporgetragen und mit einem Wimpernschlag wieder dahingeschieden, wie schön! Diese Gesichter, die gerade zum Himmel und direkt in die Hölle fahren, wie schön! Schönheit, die Menschen zu Monstern macht, so schön! Die Menschen schänden und beschmutzen und besitzen und besudeln lässt, so schön! Zerstört alle Schönheit! Zerstört die Blumen und Wälder, Schulen und die Liebe, Gitarren und allzu klare Luft! Zerstört die durchgebrannten Fantasien! Mäht sie nieder! Mäht sie nieder! Zit. nach: Kai Vogelsang, Geschichte Chinas, Stuttgart 22012, S. 597 5 10 15 M 2 Ein Blick hinter das Foto Die Aufnahme (M 3) gelangt dank einer mutigen französischen Studentin auf dem Boden einer Teedose nach Paris. Der Fotograf berichtet später: Mit eigenen Augen habe ich gesehen, wie die Soldaten auf unbewaffnete Studenten schossen. Ich war wahnsinnig frustriert, dass ich nicht näher rankonnte, um das mit der Kamera zu dokumentieren. Dann verließen die Panzer den Platz. In diesem Moment bemerkte ich einen jungen Mann, der sich vor die Kolonne stellte. Mindestens eine Viertelstunde lang diskutierte er mit den Panzerführern. Das war unglaublich mutig, ein äußerst dramatischer Moment. Man rechnete jeden Moment damit, dass ihn die Panzer überrollen würden. […] Schließlich haben Demonstranten den Unbekannten geholt, und er verschwand in der Menge. Zit. nach: Marie-Monique Robin, Die Fotos des Jahrhunderts, Köln 1999, S. 88 f. 5 10 M 4 Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte Im Dezember 2008 unterstützt der Schriftsteller Liu Xiaobo (geb. 1955) gemeinsam mit über 300 weiteren Intellektuellen das im Internet veröffentlichte Bürgerrechtsmanifest „Charta 08“. Er wird dafür zu elf Jahren Haft verurteilt. 2010 erhält er den Friedensnobelpreis. In der „Charta 08“ heißt es: Nachdem es eine lange Zeit der Menschenrechtsverletzungen und einen schweren, leidvollen Kampf durchgemacht hat, ist das chinesische Volk erwacht und erkennt täglich klarer, dass Freiheit, Gleichheit und Menschenrechte universelle Werte der Menschheit sind und dass Demokratie, republikanische Staatsform und konstitutionelle Regierung das Grundgerüst moderner Politik bilden. Eine „Modernisierung“, die sich von diesen universellen Werten und diesem Grundgerüst entfernt, ist ein katastrophaler Prozess, der die Menschen ihrer Rechte beraubt, ihren Charakter korrumpiert* und ihre Würde zerstört. In welche Richtung wird China im 21. Jahrhundert gehen? Wird es diese Art von „Modernisierung“ unter autoritärer Regierung fortsetzen, oder wird es die universellen Werte anerkennen, in den großen Strom der Zivilisationen eingehen und eine demokratische Regierungsform schaffen? Wir werden nicht umhinkönnen, eine Entscheidung zu treffen. Zit. nach: Kai Vogelsang, Geschichte Chinas, a. a. O., S. 616 *korrumpieren: zu moralisch verwerfl ichen Handlungen verleiten 5 10 15 lischen Friedens vom 4. Juni 1989. Diskutiert die möglichen Gründe dafür. Beurteilt, was dies für die heranwachsende Generation bedeutet. 3. Chinesische Politiker bewerten die internationale Kritik an den Verletzungen der Menschenrechte als Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihres Staates. Bewerte diese Einstellung. Berücksichtige dabei M 4. 1. Der Mann auf dem Foto (M 3) konnte nicht identifi ziert werden. Vermutlich war es ein Arbeiter. Die Re gierung benutzte das Foto später, um zu sagen: „Seht her, wir unterdrücken niemanden. Dass der Panzer diesen Mann nicht überfahren hat, ist der Beweis.“ Nimm Stellung zu dieser Aussage. Nutze dazu M 1 und M 2. 2. Die chinesischen Behörden unterdrücken heute alle Informationen über das Massaker am Platz des HimmM 3 Widerstand in Peking. Foto von Stuart Franklin vom 4. Juni 1989 (Ausschnitt). 31013_1_1_2015_228_271_kap5.indd 269 26.03.15 15:33 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C . B uc h er V er la gs | |
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