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138 Die „Deutsche Frage“ im 19. Jahrhundert M3 Die Deutsche Bundesakte Am 8. Juni 1815 wird auf dem Wiener Kongress der Rahmenvertrag zwischen den deutschen Staaten über die Gründung des „Deutschen Bundes“ verabschiedet und war seit dem 19. Juni verbindlich für alle Mitgliedstaaten. Folgende Artikel sollen das sicherheitspolitische Konzept der 34 Staaten und vier freien Städte bestimmen: Art. 1. Die souveränen Fürsten und freien Städte Deutschlands, mit Einschluss Ihrer Majestäten des Kaisers von Österreich und der Könige von Preußen, von Dänemark und der Niederlande, und zwar Der Kaiser von Österreich, der König von Preußen, beide für ihre gesamten vormals zum deutschen Reich gehörigen Besitzungen, der König von Dänemark für Holstein, der König der Niederlande für das Großherzogtum Luxemburg, vereinigen sich zu einem beständigen Bunde, welcher der Deutsche Bund heißen soll. Art. 2. Der Zweck desselben ist Erhaltung der äußeren und inneren Sicherheit Deutschlands und der Unabhängigkeit und Unverletzbarkeit der einzelnen deutschen Staaten. Art. 3. Alle Bundesglieder haben als solche gleiche Rechte; sie verpfl ichten sich alle gleichmäßig die Bundesakte unverbrüchlich zu halten. […] Art. 9. Die Bundesversammlung hat ihren Sitz zu Frankfurt am Main, die Eröffnung derselben ist auf den 1. September 1815 festgesetzt. Art. 10. Das erste Geschäft der Bundesversammlung nach ihrer Eröffnung wird die Abfassung der Grundgesetze des Bundes und dessen organische Einrichtungen in Rücksicht auf seine auswärtigen, militärischen und inneren Verhältnisse sein. […] Art. 11. Alle Mitglieder des Bundes versprechen sowohl ganz Deutschland als jeden einzelnen Bundesstaat gegen jeden Angriff in Schutz zu nehmen und garantieren sich gegenseitig ihre sämtlichen unter dem Bunde begriffenen Besitzungen. Bei einmal erklärtem Bundeskrieg darf kein Mitglied einseitige Unterhandlungen mit dem Feind eingehen, noch einseitig Waffenstillstand oder Frieden schließen. Die Bundesglieder behalten zwar das Recht der Bündnisse aller Art; verpfl ichten sich jedoch, in keine Verbindungen einzugehen, welche gegen die Sicherheit des Bundes oder einzelner Bundesstaaten gerichtet wären. Die Bundesglieder machen sich ebenfalls verbindlich, einander unter keinerlei Vorwand zu bekriegen, noch ihre Streitigkeiten mit Gewalt zu verfolgen, sondern sie bei der Bundesversammlung anzubringen. Dieser liegt alsdann ob, die Vermittlung durch einen Ausschuss zu versuchen […]. Art. 13. In allen Bundesstaaten wird eine Landständische Verfassung stattfi nden. […] Art. 18. Dass Eintracht und Friede unter den Bundesgliedern ungestört aufrechterhalten werden soll, so hat die Bundesversammlung, wenn die innere Ruhe und Sicherheit des Bundes auf irgendeine Weise bedroht oder gestört ist, über Erhaltung oder Wiederherstellung derselben Rat zu pfl egen, und die dazu geeigneten Beschlüsse […] zu fassen. Zitiert nach: Wolfgang Hardtwig und Helmut Hinze (Hrsg.), Vom Deutschen Bund zum Kaiserreich 1815 1871, Stuttgart 1997, S. 37, 41 f. und 49 (sprachlich modernisiert) Nennen Sie den Zweck des Deutschen Bundes und zeigen Sie auf, wie sich dieser Zweck in den einzelnen Bestimmungen der Bundesakte widerspiegelt. M4 Kritik an der „Bundes-Verfassung“ Der in Koblenz lebende katholische Gymnasiallehrer und Herausgeber des „Rheinischen Merkur“, Joseph Görres, kommentiert die Gründung des Deutschen Bundes im Mai 1815: Das aber ist das Verderblichste an jener Bundes-Verfassung, dass der teutsche Gemeingeist durch sie notwendig gehemmt oder gar unterdrückt wird, indem sie alle Möglichkeiten eines öffentlichen Wirkens nimmt. [...] Man wird zur Vermuthung gezwungen, dass man Teutschland nicht als organisches Ganzes, als einen Staat betrachte, sondern nur als einen Staatenbund [...]. Aber man höre doch nur den Ruf aller deutschen Volksstämme. Einmüthig erklären sie: „Wir wollen nicht länger bloß Preußen, Hannoveraner, Hessen bleiben, wir wollen Deutsche werden!“ Der künstliche Bund aber, der nicht gestützt ist auf die Liebe und den Gemeingeist des deutschen Volkes, wird bald durch seine eigene Schwäche zusammenfallen! [...] Anmerkung: Es könnte gut seyn, wenn die teutschen Vereine und Städte Unterschriften sammelten zu einer Bittschrift um Einführung teutscher Reichsstände. Die Stimme des Volkes dringt so schwer durch zu den Ohren der Fürsten: vielleicht war dies der Grund, dass so mancher billiger Wunsch der Teutschen unerfüllt blieb. Joseph Görres, in: Rheinischer Merkur, Nr. 234 vom 7. Mai 1815, S. 1 f. 1. Fassen Sie die Kritik an der „Bundesverfassung“ zusammen. 2. Analysieren Sie die nationalen Vorstellungen des Verfassers. 5 10 15 5 10 15 20 25 30 35 40 45 4677_1_1_2015_128-157_Kap4.indd 138 17.07.15 12:02 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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