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148 Die „Deutsche Frage“ im 19. Jahrhundert Seite darbietet. Mir sind die Dinge, welche offen vorliegen, stets lieber als die verkappten. Was der Liberalismus will, was er ist, wohin er zielt und wohin er die Staaten, die sich ihm hingeben, unaufhaltbar stößt, hieran kann wohl heute keiner, der Augen, Ohren und einen Sinn hat, mehr zweifeln. Vor solchen Beweisen muss die Doktrine1 verstummen. Mit Volksrepräsentationen im modernen Sinne, mit der Pressefreiheit und politischen Vereinen muss jeder Staat zugrunde gehen, der monarchische wie die Republik. Nur Anarchie ist möglich; dagegen mögen die Gelehrten am Schreibtische protestieren, so viel sie auch immer wollen. Am Ende der Gelehrsamkeit steht das Zuschlagen, und kommt es einmal hierzu, so ist der, der in geschlossenen Reihen zuschlägt, der Gelehrteste. Wir werden in Deutschland zum Zuschlagen kommen, das Böseste im lieben Vaterlande sind die Regierungen: vortrefflich zum Betrogenwerden, aber sehr schlecht, um sich und anderen zu helfen! Wenn man heute in Bayern noch glaubt, das Regieren zu verstehen, so sind die Leute incurabel2. Zitiert nach: Veit Valentin, Das Hambacher Nationalfest, Berlin 1932, S. 144 f. 1. Charakterisieren Sie die Haltung des österreichischen Kanzlers. 2. Arbeiten Sie heraus, wie Metternich Parteien im Allgemeinen und Liberalismus sowie liberale Forderungen im Besonderen beurteilt. M4 Die Mannheimer „Märzforderungen“ Am 27. Feb ruar 1848, wenige Tage nach dem Sturz des französischen Königs, kommen ca. 2 500 Menschen in Mannheim zu einer Volksversammlung zusammen. Folgende Petition wird verabschiedet, zur Unterschrift ausgelegt und am 1. März 1848 dem Präsidenten der badischen Abgeordnetenkammer überbracht. Hohe Zweite Kammer! Eine ungeheure Revolution hat Frankreich umgestaltet. Vielleicht in wenigen Tagen stehen französische Heere an unseren Grenzmarken, während Russland die seinigen im Norden zusammenzieht. Ein Gedanke durchzuckt Europa. Das alte System wankt und zerfällt in Trümmer. Allerorten haben die Völker mit kräftiger Hand die Rechte sich selbst genommen, welche ihre Machthaber ihnen vorenthielten. Deutschland darf nicht länger zusehen, wie es mit Füßen getreten wird. Das deutsche Volk hat das Recht zu verlangen: Wohlstand, Bildung und Freiheit für alle Klassen der Gesellschaft, ohne Unterschied der Geburt und des Standes. Die Zeit ist vorüber, die Mittel zu diesen Zwecken lange zu beraten. Was das Volk will, hat es durch seine gesetzlichen Vertreter, durch die Presse und durch Petitionen deutlich genug ausgesprochen. Aus der großen Zahl von Maßregeln, durch deren Ergreifung allein das deutsche Volk gerettet werden kann, heben wir hervor: 1) Volksbewaffnung mit freien Wahlen der Offi ziere 2) Unbedingte Pressefreiheit 3) Schwurgerichte nach dem Vorbilde Englands 4) Sofortige Herstellung eines deutschen Parlaments Diese vier Forderungen sind so dringend, dass mit deren Erfüllung nicht länger gezögert werden kann und darf. Vertreter des Volks! Wir verlangen von Euch, dass Ihr diese Forderungen zu ungesäumter Erfüllung bringet. Wir stehen für dieselben mit Gut und Blut ein und mit uns, davon sind wir durchdrungen, das ganze deutsche Volk. Zitiert nach: Karl Obermann, Flugblätter der Revolution. Eine Flugblattsammlung zur Geschichte der Revolution von 1848/49 in Deutschland, Berlin 1970, S. 54 f. 1. Erschließen Sie aus den Forderungen die politischen und sozialen Verhältnisse in Deutschland vor Ausbruch der Revolution von 1848. 2. Erklären Sie, warum die Petition die Volksbewaffnung fordert. Informieren Sie sich über den Zusammenhang von Volksbewaffnung und Befreiungskriegen (1813 1815). 5 10 15 20 25 15 20 25 i „Deutschlands Wiedergeburt.“ Nachbildung einer Fahne (145 x 168 cm), die auf dem Hambacher Fest 1832 geschwenkt wurde. p Erläutern Sie, worauf die Inschrift der Fahne Bezug nimmt. 1 Doktrine: Theorie, Lehre 2 incurabel: unheilbar 4677_1_1_2015_128-157_Kap4.indd 148 17.07.15 12:02 Nu r z u P üf zw ck en Ei ge nt um d s C .C .B uc hn V er la gs | |
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