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166 „Volk“ und „Nation“ im Deutschen Kaiserreich Wer gehört zur Nation? Politische Kultur im Kaiserreich Reichsverfassung Das Deutsche Kaiserreich war ein Bundesstaat, gebildet aus 25 Einzelstaaten, denen noch das annektierte „Reichsland“ Elsass-Lothringen angegliedert war. Die Einzelstaaten behielten ihre eigenen Verfassungen, besaßen ihr eigenes (Landtags-)Wahlrecht und regelten Angelegenheiten der Justiz, Verwaltung, Finanzen und Bildung in eigener Verantwortung. Da in Württemberg und Bayern die antipreußische Grundstimmung sehr ausgeprägt war, wurden diesen Staaten besondere Reservatrechte zugestanden (u. a. Post, Eisenbahn, Oberbefehl über eigenes Heer in Friedenszeiten). In die Zuständigkeiten des Reiches fi elen dagegen zentrale politische Aufgaben wie die Außenpolitik, das Militär sowie die Wirtschaftsund Sozialpolitik. Die Reichsverfassung entsprach im Wesentlichen der des Norddeutschen Bundes. Sie enthielt keinen Grundrechtskatalog, der das Verhältnis der Bürger zum Staat beschrieb. Schon dadurch wurde deutlich gemacht, dass nicht eine mündige Nation das neue Reich ins Leben gerufen hatte, sondern die Verfassung vor allem das Ergebnis von Verhandlungen zwischen souveränen Fürsten war. In ihr wurde das Zusammenwirken der vier Verfassungsorgane genau geregelt: Der Bundesrat repräsentierte die „verbündeten Regierungen“ der Einzelstaaten und war somit der Souverän des Reiches. Jeder der 25 Bundesstaaten entsandte mindestens einen weisungsgebundenen Vertreter. Hessen und Baden besaßen drei, Sachsen und Württemberg vier und Bayern besaß sechs Stimmen. Gegen die 17 Stimmen Preußens, die über der Sperrminorität von 14 lagen, konnten keine Gesetze und Verfassungs änderungen durchgesetzt werden. Jeder Bundesstaat konnte seine Stimmen nur einheitlich abgeben, wie dies auch heute noch im Bundesrat der Bundesrepublik Deutschland der Fall ist. Der König von Preußen hatte als Deutscher Kaiser das Präsidium des Reiches inne. Er berief Bundesrat und Reichstag ein. Reichskanzler und Staatssekretäre waren nur u Die Verfassung des Deutschen Reiches vom April 1871. Literaturtipps: p Beate Althammer, Das Bismarckreich 1871 1890, Paderborn 2009 p Christopher Clark, Preußen. Aufstieg und Niedergang 1600 1947, München 72008 p Das Deutsche Kaiserreich. 1871 1914: Der Weg in die Moderne, Spiegel Geschichte, Heft 3/2013 4677_1_1_2015_158-183_Kap5.indd 166 17.07.15 12:26 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er l gs | |
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