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292 Vergangenheitspolitik und „Vergangenheitsbewältigung“ Geschichtsund Gedenkkultur Die große Bedeutung der geschichtskulturellen Beglaubigung im Staatsund Gesellschaftssystem der DDR zeigt sich auch in der „gründungsmythischen Dreieinigkeit“ der DDR-Gedenkund Feiertage: So wurde am 15. Januar der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg gedacht,* 1950 wurde der 8. Mai als arbeitsfreier Feiertag („Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“, ab 1967 nicht mehr arbeitsfrei) und der 7. Oktober, der Gründungstag der DDR („Tag der Republik“), als Staatsfeiertag eingeführt. Der 8. Mai galt auch als „Tag des Dankes an die Sowjetunion“ und der 7. Oktober als „Tag des Stolzes auf die eigene Leistung“. Damit fügten sich die Feiertage zu einer Erzählung, in der auf den Kampf und die Opfer, die Erlösung und der Dank an die Befreier sowie schließlich die stolze Feier des Bestehenden folgte. Völlig anders ging die Bundesrepublik mit ihrer symbolischen Repräsentation und geschichtskulturellen Selbstdeutung um. Hier herrschte nach 1945 in dieser Hinsicht eine große Verunsicherung. In erster Linie wollte sich die Bundesrepublik sowohl gegen das „Dritte Reich“ als auch gegen die DDR abgrenzen. In der westdeutschen Bevölkerung fand der 8. Mai erst nach 1985 Eingang in die offi zielle Gedenkkultur.** * Zu Luxemburg und Liebknecht vgl. S. 190. ** Lesen Sie dazu auch S. 298 300. 1. In der Bundesrepublik wurde 1953 der 17. Juni als „Tag der deutschen Einheit“ zum ersten und einzigen Staatsfeiertag erklärt. Das Datum bezog sich auf den ostdeutschen Volksaufstand von 1953. Dieser Aufstand habe laut der Bundesregierung bewiesen, „dass das deutsche Volk die innere Kraft aufbringe, sich gegen Diktatur und Willkür zur Wehr zu setzen“. Erläutern Sie die mehrfache Bedeutung dieses Feiertages für die Bundesrepublik. 2. Erörtern Sie in Form eines Essays die Notwendigkeit von Gedenktagen für eine demokratische Gesellschaft. u Gedenkrituale in der DDR. Foto aus Ost-Berlin vom 9. Mai 1987. Auch wenn ab 1967 der „Tag der Befreiung “ als arbeitsfreier Tag abgeschafft worden war, fanden bis zum Ende der DDR überall im Lande am 8./9. Mai offi zielle Gedenkveranstaltungen zum „Tag der Befreiung des deutschen Volkes vom Hitlerfaschismus“ und zum „Tag des Sieges über das Deutsche Reich im Zweiten Weltkrieg“ statt. Hier lassen „Junge Pioniere“, die der einzigen staatlich anerkannten Jugendorganisation der DDR, der Freien Deutschen Jugend“, angehörten, am Ehrenmal für gefallene sowjetische Soldaten im Treptower Park Friedenstauben aufsteigen. In früheren Jahren fanden an dem Tag auch große Militärparaden statt. i DDR-Briefmarke, die anlässlich des 25. Jahrestages der Befreiung vom Faschismus veröffentlicht wurde. Entwurf von Gerhard Stauf; Erstausgabetag: 5. Mai 1970. 4677_1_1_2015_276-311_Kap8.indd 292 17.07.15 12:09 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei g nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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