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Literaturtipp: PM Hoffmann und Bernd Lindner, Herbst der Entscheidung. Eine Geschichte der Friedlichen Revolution 1989, Berlin 2014 (Comic) 376 Die Überwindung der deutschen Teilung in der „friedlichen Revolution“ von 1989 Von der „friedlichen Revolution“ bis zur Wiedervereinigung Flucht vor der Staatsmacht Immer mehr Bürger stellten einen Antrag auf Ausreise aus der DDR, obwohl sie in vielen Fällen deswegen jahrelang benachteiligt und schikaniert wurden. Im ersten Halbjahr 1989 gestattete die Regierung 46 343 Personen die Übersiedlung in die Bundesrepublik. Doch die Hoffnung der SED, auf diese Weise wieder Ruhe herstellen zu können, erfüllte sich nicht. Im Gegenteil: Im Sommer 1989 lagen bereits eine Viertelmillion weiterer Ausreiseanträge vor. Am 10./11. September erlaubte die reformkommunistische Regierung Ungarns, die bereits seit Mai ihre Grenzsperren nach Österreich abbaute, fl uchtwilligen Urlaubern aus der DDR die Ausreise. Über 25 000 Menschen nutzten das neue Schlupfloch im bislang undurchlässigen „Eisernen Vorhang“. Andere fanden Einlass in den diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik in Prag, Warschau und Ost-Berlin. Nach langwierigen Verhandlungen zwischen beiden deutschen Regierungen durften sie Anfang Oktober in den Westen übersiedeln. Massenprotest und „friedliche Revolution“ In mehreren Städten der DDR beobachteten Bürgerrechtsgruppen die Auszählung der Stimmen zu den Kommunalwahlen vom 7. Mai 1989 und protestierten anschließend gegen die festgestellten Wahlfälschungen. Dadurch erhielten sie landesweite Aufmerksamkeit und Anerkennung. Da die Sowjetunion eine militärische Intervention verweigerte, verloren die Drohgebärden der Machthaber in der DDR nach und nach ihre Wirkung. Immerhin wagten es die Bürgerrechtler im August/September 1989, sich in vier erstmals öffentlich auftretenden Vereinigungen (Neues Forum, Demokratie Jetzt, Demokratischer Aufbruch, Sozialdemokratische Partei) zusammenzuschließen und eine Reform der DDR an Haupt und Gliedern zu fordern. Seit Anfang September 1989 demonstrierten in Leipzig an jedem Montag nach Friedensgebeten in der Nikolaikirche immer mehr Menschen für Reisefreiheit statt Massenfl ucht. Rief die Menge anfangs noch „Wir wollen raus!“, so hieß es bald „Wir bleiben hier!“. In Ost-Berlin, Leipzig und Potsdam hielten Bürgerrechtler Mahnwachen für politische Gefangene. Das alles geschah unter den Augen der Stasi (u M1), die die Protestwelle mit Verhaftungen auflösen wollte. In den ersten Oktobertagen spitzte sich in vielen Städten die Situation gefährlich zu. Während die Machthaber den 40. Jahrestag der DDR am 6. und 7. Oktober vor den Kameras des Inund Auslandes und im Beisein des sowjetischen Staatsund Parteichefs Gorbatschow mit Pomp, Militärparaden und Aufmärschen begingen, versuchten sie gleichzeitig, mit einem Riesenaufgebot bewaffneter Sicherheitskräfte die Demons tranten einzuschüchtern. Niemand wusste vorherzusagen, wie die SED auf die wachsende Unruhe im Land reagieren könnte. Honecker weigerte sich, Reformen einzuleiten, zu denen ihm Gorbatschow dringend geraten hatte („Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“). Die große Montagsdemonstration am 9. Oktober in Leipzig brachte den Umschwung. 70 000 Menschen demonstrierten friedlich, im klaren Bewusstsein, dass es dabei zu einem Blutbad i DDR-Flüchtlinge in der bundesdeutschen Botschaft in Prag, September/Oktober 1989. Im Sommer 1989 fl ohen 4 000 DDR-Bürger in die Prager Botschaft, um in die Bundesrepublik auszureisen. Doch die Verhandlungen mit dem DDR-Regime zogen sich bis Ende September. Erst ab dem 1. Oktober durften die Flüchtlinge ausreisen, mussten aber mit dem Zug durch die DDR fahren. 4677_1_1_2015_362-397_Kap10.indd 376 17.07.15 12:15 Nu r z P rü fzw ck en Ei ge nt um d es C. C. Bu ch ne r V er la gs | |
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