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Moderne Massengesellschaft – neue Lebensqualität oder Ende der Kultur? Bevölkerungswachstum, „Landfl ucht“ und Verstädterung Nach jahrhundertelangem Gleichgewicht von hohen Geburtenund Sterberaten begann die europäische Bevölkerung seit der Mitte des 18. Jahrhunderts in einem sich ständig beschleunigenden Maße zu wachsen. 1750 lebten auf dem Kontinent etwa 130 Millionen Menschen; um 1850 waren es bereits 266 Millionen, um 1910 dann 468 Millionen. Der Wandel von einer hohen Geburtenund Sterbeziffer hin zu einer Verminderung beider Quoten, die über einen längeren Zeitraum ein hohes Bevölkerungsniveau garantieren, ist als „demografi sche Revolution“ bezeichnet worden. Ursächlich hierfür waren in Europa seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert verschiedene, sich gegenseitig verstärkende politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren (u M1). Auch auf dem Gebiet des späteren Deutschen Kaiserreiches wuchs die Bevölkerung zwischen 1816 und 1871 von gut 23 auf 41 Millionen. Dieser Anstieg und die sich dynamisch entwickelnde Arbeitswelt forderten von den Menschen die Bereitschaft zur Mobilität. Ströme von Arbeitsuchenden zogen in die rasch wachsenden Industrieregionen. Diese schon damals als „Landfl ucht“ bezeichnete Entwicklung führte zum viel beklagten Arbeitskräftemangel auf dem Lande. Je mehr Industrie sich in den Städten ansiedelte, wo es gute Verkehrsanbindungen und zahlreiche Arbeitskräfte gab, desto stärker wuchs dort die Einwohnerzahl. Ausgangspunkt für die Verstädterung (Urbanisierung, u M2) waren Standorte der Textilproduktion, des Bergbaus und der Schwerindustrie. Kaum eine Region veränderte sich so schnell wie das Ruhrgebiet. Kern des rasanten Strukturwandels war dort der Kohlebergbau. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch durch Landwirtschaft, Kleinstädte und Dörfer geprägt, wuchs das Ruhrgebiet bis zum Ende des Jahrhunderts zum größten industriellen Ballungszentrum Europas an. Auch Großstädte wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt am Main, Hannover und Nürnberg sowie das sächsisch-oberschlesische Industrierevier waren Zentren des Wachstums. Da vor allem junge Menschen in die Stadt kamen, die Geburtenrate dadurch anstieg und zugleich die Sterblichkeit aufgrund verbesserter Hygiene und ärztlicher Versorgung stärker abnahm als auf dem Land, trug auch das innerstädtische Bevölkerungswachstum zur Urbanisierung bei. In vielen Städten verdreifachte sich die Einwohnerschaft in wenigen Jahrzehnten. Auch die Anzahl der Großstädte wuchs: 1871 gab es im Deutschen Reich sieben, 1918 bereits mehr als 50. Nur noch Großbritannien übertraf den deutschen Grad der Verstädterung. Die Industrialisierung löste nicht nur eine „Landfl ucht“, sondern zugleich eine Ost-West-Wanderung aus. Zwischen 1860 und 1914 verließen etwa 16 Millionen Menschen die ostdeutschen Gebiete in Richtung Westen. Viele gingen noch einen Schritt weiter: Angesichts schlechter Lebensbedingungen, Arbeitslosigkeit und politischer Konfl ikte wanderten zwischen 1830 und 1913 mehr als sechs Millionen Deutsche aus. 90 Prozent gingen in die USA, das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“. 36 Die „Zweite Industrielle Revolution“ und die Entstehung der modernen Massengesellschaft Alter in Jahren 0 200 400 600 800 1000 Männer Frauen 0-4 5-9 10-14 15-19 20-24 25-29 30-34 35-39 40-44 45-49 50-54 55-59 60-64 65-69 70-74 75-79 80-84 85-89 90-94 95-99 Tausend PersonenTausend Personen 1000 800 600 400 200 0 am 31. 12. 1910 i Die deutsche Bevölkerung nach Altersstufen im Jahr 1910. Nach: Gerd Hohorst u. a. (Hrsg.), Sozialgeschichtliches Arbeitsbuch, Bd. II: Materialien zur Statistik des Kaiserreichs 1870 1914, München 21978, S. 23 und Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 11. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Wiesbaden 2006, S. 16 p p Recherchieren Sie auf den Internetseiten des Statistischen Bundesamtes (www.destatis.de/bevoelkerungspyramide) nach dem Altersaufbau der Bevölkerung im Jahr 2010 und 2050. Arbeiten Sie die langfristigen Tendenzen heraus. Welche Probleme ergeben sich für eine Gesellschaft aus dem Altersaufbau? 4677_1_1_2015_010-047_Kap1.indd 36 17.07.15 11:36 Nu r z u Pr üf zw ec k n Ei ge nt um d es C .C .B uc h er V er la gs | |
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