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1 laisser faire, laisser aller (franz.): tun, gehen lassen; hier etwa: Treibenlassen aller Dinge 2 Manchestertum: Bezeichnung für einen extremen Wirtschaftsliberalismus ohne staatliche Eingriffe, benannt nach dem britischen Manchester, dem damaligen Zentrum der Textilindustrie 34 Die „Zweite Industrielle Revolution“ und die Entstehung der modernen Massengesellschaft sorgenfreies Dasein für die Zeiten zu verschaffen, in denen sie selbst nicht mehr arbeiten könnten. Ihr selbst wisst es am besten, wie es mit Kranken, Invaliden und ausgedienten Arbeitern bei uns gehalten wird. Dann habe ich den Arbeitern Wohnungen gebaut, worin bereits 20 000 Seelen untergebracht sind, habe Schulen gegründet, Schenkungen verliehen und Einrichtungen getroffen zur billigen Beschaffung von allem Lebensund Hausbedarf. Ich habe mich dadurch in eine Schuldenlast gesetzt, die abgetragen werden muss. Damit dies geschehen kann, muss jeder seine Schuldigkeit tun in Frieden und Eintracht und in Übereinstimmung mit unseren Vorschriften. […] Unter den schwierigsten Umständen habe ich den Mut gehabt, für meine Leute einzutreten, und behalte ihn auch in der jetzigen schweren Zeit. Ich hoffe, dass wir sie überwinden werden, dass wir Arbeit behalten werden. Alle Kräfte werden dafür nach allen Seiten aufgewandt. Das sollten die Arbeiter dankbar erkennen […]. Ich gebe Euch nun diesen Rat: Lasst Euch nicht blenden durch schöne Worte und erwartet das Heil nicht von solchen, die einen neuen mühelosen Weg zur Volksbeglückung gefunden haben wollen. Die Angelegenheiten des ganzen Vaterlandes sollen jedem wichtig und teuer sein, aber dazu hilft gar nichts […] das Schwatzen über politische Angelegenheiten, das ist nur den Aufwieglern willkommen und stört die Pfl ichterfüllung. Eine ernste Beschäftigung mit der Landespolitik erfordert mehr Zeit und tiefere Einsicht in schwierige Verhältnisse, als Euch zu Gebote steht. Das Politisieren in der Kneipe ist nebenbei sehr teuer, dafür kann man im Hause Besseres haben. Nach getaner Arbeit verbleibt im Kreise der Eurigen, bei den Eltern, bei der Frau und den Kindern. Da sucht Eure Erholung, sinnt über den Haushalt und die Erziehung. Das und Eure Arbeit sei zunächst und vor allem Eure Politik. Dabei werdet Ihr frohe Stunden haben. Zitiert nach: Gerhard Adelmann u. a. (Hrsg.), Quellensammlung zur Geschichte der sozialen Betriebsverfassung, Bd. 2, Bonn 1965, S. 295 1. Arbeiten Sie heraus, welche Stellung Krupp dem Arbeiter und dem Unternehmer zuweist. 2. Formulieren Sie den kritischen Kommentar eines Sozialdemokraten zu Krupps Aufruf. M3 Gründe und Ziele staatlicher Sozialpolitik Reichskanzler Otto von Bismarck in der Beratung des ersten Unfallversicherungs gesetzes im Reichstag am 2. April 1881: Seit fünfzig Jahren sprechen wir von einer Sozialen Frage. […] Ich halte es für meinen Beruf, diese Fragen ohne Parteileidenschaft […] in Angriff zu nehmen, weil ich nicht weiß, wer sie mit Erfolg in Angriff nehmen soll, wenn es die Reichsregierung nicht tut. […] Ich bin der Meinung, dass das „laisser faire, laisser aller“1, „das reine Manchestertum2 in der Politik“, „Jeder sehe, wie er’s treibe, jeder sehe, wo er bleibe“, „Wer nicht stark genug ist zu stehen, wird niedergerannt und zu Boden getreten“, „Wer da hat, dem wird gegeben, wer nicht hat, dem wird genommen“, dass das im Staat, namentlich in dem monarchischen, landesväterlich regierten Staat Anwendung fi nden könne. […] Aber umsonst ist der Tod! Wenn Sie nicht in die Tasche greifen wollen und in die Staatskasse, dann werden Sie nichts fertig bekommen. Die ganze Sache der Industrie aufzubürden – das weiß ich nicht, ob sie das ertragen kann. Schwerlich geht es bei allen Industrien. Bei einigen ginge es allerdings; es sind das diejenigen Industriezweige, bei welchen der Arbeitslohn nur ein minimaler Betrag der Gesamtproduktionskosten ist. […] Ob man den Beitrag auf die Arbeiter oder auf die Unternehmer legt, das halte ich für ganz gleichgültig. Die Indus trie hat ihn in beiden Fällen zu tragen, und was der Arbeiter beiträgt, das ist doch notwendig schließlich zulasten des ganzen Geschäfts. Es wird allgemein geklagt, dass der Lohn der Arbeiter im Ganzen keinen Überschuss und keine Ersparnis gestatte. Will man also dem Arbeiter zu dem eben noch ausreichenden Lohn noch eine Last auferlegen, ja, dann muss der Unternehmer diese Mittel zulegen, damit der Arbeiter die Last tragen kann. Alfred Milatz (Hrsg.), Otto von Bismarck. Werke in Auswahl, Bd. 6, Darmstadt 1973, S. 515 521 1. Fassen Sie Bismarcks Erwägungen über die Finanzierbarkeit der Unfallversicherung zusammen. 2. Arbeiten Sie heraus, ob sich Bismarck für oder gegen das „Laisser faire“-Prinzip ausspricht. 3. Prüfen Sie, ob Bismarck Recht hat, wenn er behauptet, die Soziale Frage bestehe bereits seit 50 Jahren. Welche Aufgaben für die Regierung leitet er daraus ab? 10 15 20 25 30 35 5 10 15 20 25 4677_1_1_2015_010-047_Kap1.indd 34 17.07.15 11:36 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc h r V er la gs | |
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