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456 Internationale Friedensordnung nach dem Ersten Weltkrieg Stellen Sie die unterschiedlichen Interessen der Konferenzteilnehmer sowie der deutschen Delegation in Versailles grafi sch dar. F Entwerfen Sie eine geeignete Karikatur zu dieser Thematik. Das Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker und andere Ideale hatten als „Sentimentalitäten“ im Weltbild von Clemenceau wenig Platz. Für ihn war Machtpolitik unvermeidlich. Im Konkreten bedeutet diese Haltung territorial neben der Rückgliederung Elsass-Lothringens die Annektierung der Montanregion an der Saar mit ihren Kohlevorkommen und der Stahlindustrie. Die französische Militärgrenze sollte bis an den Rhein vorgeschoben, das Rheinland als von Frankeich abhängiger Pufferstaat organisiert werden. In Osteuropa waren zudem starke Staaten zu schaffen, die das Reich von dort umfassen konnten. Deshalb war Paris besonders an der territorialen, wirtschaftlichen und militärischen Stärkung Polens interessiert, was zumindest teilweise mit der Schwächung des Reiches parallel gehen würde, etwa durch Gebietsabtretungen. i „Die deutsche Friedens delegation.“ Foto von August Scherl aus Versailles vom August 1919. Von links nach rechts: Prof. Walther Schücking (1875 1935): Völkerrechtler, Pazifi st und liberaler Politiker (DDP); Johannes Giesberts (1868 1938): Redakteur, Gewerkschafter und Zentrumspolitiker; Otto Landsberg (1869 1957): Jurist und sozialdemokratischer Politiker; Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau (1869 1929): Jurist, Diplomat (parteilos) und 1918/19 Außenminister; Robert Leinert (1873 1940): Redakteur, sozialdemokratischer Politiker und Oberbürgermeister von Hannover; Dr. Carl Melchior (1871 1933): Jurist, Bankier und liberaler Finanzpolitiker (DDP). Selbstbestimmungsrecht der Völker: Grundsatz, der auf den Ideen der Amerikanischen und Französischen Revolution fußt (Stichwort: Volkssouveränität). In der Oktoberrevolution verkündete W. I. Lenin (vgl. S. 79) diese Forderung, um das russische Vielvölkerreich zu zerschlagen. US-Präsident Wilson griff diese Idee auf, um für liberale und demokratische Staaten zu werben. Während der Pariser Friedensverhandlungen stand vor allem das Streben einzelner Völker nach Eigenstaatlichkeit und, verbunden damit, nach Autonomie in politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Fragen im Fokus. Deutsche Beteiligung am Friedensprozess Eine deutsche Delegation unter Leitung des Außenministers Ulrich Graf von Brockdorff-Rantzau reiste Ende April 1919 nach Paris und durfte am 7. Mai die Friedensbedingungen entgegennehmen. Zu den Bestimmungen des Entwurfes konnten innerhalb von 14 Tagen schriftlich Einwände erhoben werden. Die Alliierten wiesen deutsche Forderungen nach mündlichen Verhandlungen zurück. Deutschland sollte keine Chance gegeben werden, zwischen den Siegern bestehende Unterschiede auszunutzen und so das mühsam errichtete Gebäude der Kompromisse wieder zum Einsturz zu bringen. Die deutsche Delegation überreichte den Alliierten eine Art Gegenfriedensvertrag, wobei man natürlich weit hinter den alliierten Vorstellungen zurückblieb. Doch die Siegermächte blieben im Wesentlichen hart. Sie forderten das Reich am 16. Juni 1919 ultimativ auf, den Vertrag innerhalb von sieben Tagen anzunehmen. Andernfalls werde der alliierte Vormarsch, dieses Mal in das Reich hinein, wieder aufgenommen. 4677_1_1_2015_452-481_Kap13.indd 456 17.07.15 12:18 Nu r z P rü fzw ec ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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