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Grundlagen Baustein 4: Staatsschulden – was tun? 67 ⦁ In einem Konjunkturabschwung dürfen weitere Kredite aufgenommen werden. Diese werden auf einem „Kontrollkonto“ festgehalten und müssen in einem Konjunkturaufschwung „konjunkturgerecht“ wieder getilgt werden. ⦁ Allerdings darf der Bund (nicht die Länder) einmalig Kredit in Höhe von 1,5 % vom BIP auf dem Kontrollkonto stehen lassen; erst bei höherer Kreditaufnahme beginnt die Pflicht zur Tilgung. ⦁ Bei Naturkatastrophen und „außergewöhnlichen Notsituationen“ wie der Finanzkrise seit 2007 darf weiterer Kredit aufgenommen werden, der jedoch „binnen eines angemessenen Zeitraums“ getilgt werden muss. Für die Länder wird die Nettokreditaufnahme ganz verboten. Dafür erhalten die Länder finanzielle Gegenleistungen vom Bund. Bei Verabschiedung dieser Regelung im Jahre 2009 hat man sich offenbar nicht vorstellen können, dass die Bundesregierung bereits am 9.5.2010 so große Bürgschaften für ausländische Schulden übernehmen würde. Für diese Haftungen durch die „Rettungsschirme“, die nachfolgend vorgestellt werden, gilt keine Obergrenze. Die Regelung in Paragraf 109 hat Verfassungsrang. Das bedeutet, sie kann nur mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag geändert werden. Zudem gilt, dass wenn ein Haushaltsgesetz die Schuldenbremse verletzt, das Bundesverfassungsgericht das Haushaltsgesetz für ungültig erklären kann. Auf Landesebene ist dies bereits einmal geschehen; am 15.3.2011 erklärte das nordrheinwestfälische Verfassungsgericht einen Nachtragshaushalt für 2011 für ungültig (allerdings ohne größere Auswirkungen). (Autorentext; vgl. auch S. 112) Die ungeliebte Schuldenbremse Schon kurz nach der Bundestagswahl 2014 kursierten die ersten Wetten, ob die deutsche Schuldenbremse die bevorstehende Legislaturperiode überstehen wird. Zu verlockend sei es für eine so große Koalition, die leidigen Fesseln zu sprengen, auf die sich Bund und Länder im Jahr 2009 geeinigt hatten. Nun mehren sich die Anzeichen, dass es so kommt, sowohl aus den Ländern als auch aus dem Bund. Wer sich die Finanzen der Länder etwas genauer anschaut, dem ist seit Langem klar, dass es vor allem die hoch verschuldeten Kleinstaaten wie Saarland und Bremen selbst dann nicht dauerhaft ohne neue Schulden schaffen könnten, wenn sie denn wirklich sparen würden. Auch Ostdeutschland wird ab 2020 finanziell immer noch nicht ganz auf eigenen Füßen stehen können. Dass diese Armenhäuser mit durchgefüttert werden, ist daher in den langfristigen Finanzplanungen – grob zumindest – eingeplant. Doch nun hat sich mit Nordrhein-Westfalen das größte Bundesland faktisch von der Schuldenbremse verabschiedet. Gerade erst musste Regierungschefin Hannelore Kraft einen Nachtragshaushalt einbringen: 3,2 Milliarden Euro neue Schulden will sie 2014 machen. Das ist mehr als der Bund, sofern man dessen Überweisung an den europäischen Rettungsschirm ESM herausrechnet. Dass Besuchern der Düsseldorfer Staatskanzlei jetzt nur noch Leitungswasser statt Kaffee und Brötchen angeboten wird, signalisiert die Hilflosigkeit. Nur noch ein großer, frischer Geldregen – etwa durch Übertragung der bisherigen Soli-Einnahmen [Solidaritätszuschlag, vgl. Glossar] des Bundes auf die Länder – aus den gerade laufenden Verhandlungen über eine Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen könnte helfen. […] Auf Bundesebene läuft die Debatte subtiler. Plötzlich sind sich alle Parteien einig: Der Staat investiert zu wenig. „Wir sind in einem wirtschaftlichen Umfeld, das eine Verstärkung der Investitionen überall in Europa, auch in Deutschland, erfordert“, sagt etwa Finanzminister Wolfgang Schäuble. Da wird über kaputte Brücken, Schlaglöcher in den Straßen und marode Schulen gesprochen. Verschwiegen werden dagegen in diesem Zusammenhang sündhaft teure Bauprojekte wie der Hauptstadtflughafen, die Hamburger Elbphilharmonie oder die ganzen anderen Peinlichkeiten, die Steuerzahlerbund und Rechnungshöfe Jahr für Jahr genüsslich auflisten. […] Wer heute die Schlaglöcher als Preis des Sparens bezeichnet, will in Wahrheit nur von den eigenen Fehlern ablenken. Geradezu grotesk wirkt es, wenn der Staat sich derzeit zu Minizinsen von rund einem Prozent langfristig verschulden kann, gleichzeitig aber darüber nachdenkt, Privaten mit Renditewünschen von fünf bis sechs Prozent die Infrastrukturfinanzierung zu übertragen. (Axel Schrinner: Die ungeliebte Schuldenbremse, in: Handelsblatt v. 15.9.2014, S. 14) 40 45 50 55 60 65 70 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C .B uc hn er V er la gs | |
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