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179Europa verlässt Deutschland: die Abwanderung der „Displaced Persons“ teil der jüdischen DPs mündete der mehrmonatige oder mehrjährige Aufenthalt in den Lagern in Westdeutschland in die Abwanderung nach Palästina bzw. Israel, das schließlich mit rund 200 000 Menschen zwei Drittel von ihnen aufnahm. Die USA erreichten ca. 72 000 und Kanada etwa 16 000. Im November 1949 verzeichnete das Gebiet der ehemaligen US-Besatzungszone nur noch 15 000 jüdische DPs in neun Lagern, während es im Januar des Jahres noch fast 65 000 in 48 Lagern gewesen waren. Seit 1952 gab es nur noch das Lager Föhrenwald bei München, das jene Juden beherbergte, die Deutschland nicht verlassen wollten oder konnten, häufi g weil sie alt und krank waren (u M4). Im Februar 1957, fast zwölf Jahre nach Kriegsende, wurde Föhrenwald als letztes Lager für jüdische DPs aufgelöst. Internationale Flüchtlingshilfe Nicht nur für die jüdischen Flüchtlinge, sondern für alle DPs, die nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren konnten oder wollten, bildete die Abwanderung aus dem besetzten Deutschland eine wesentliche Perspektive. Das Resettlement-Programm der im Juni 1947 gegründeten International Refugee Organization (IRO) (dt.: Internationale Flüchtlingsorganisation) erfasste bis 1951 insgesamt ca. 712 000 DPs. Ziele der von der IRO unterstützten DP-Migration waren vor allem die USA (für 273 000 DPs), Australien (136 000) und Kanada (83 000) sowie die westeuropäischen Staaten Frankreich und Großbritannien mit insgesamt 110 000 Menschen. Nur ein kleiner Teil der DPs blieb in Deutschland zurück. Die Gründe dafür waren vielfältig, manche waren bei den Auswanderungsprogrammen nicht berücksichtigt worden, weil sie als zu alt, zu krank oder zu wenig arbeitsfähig galten. Andere wiederum hatten Arbeit und Erwerb gefunden und sahen außerhalb Deutschlands keine besseren Chancen für sich. Als die Westalliierten 1950 die Verantwortung für die DPs an die Bundesregierung übergaben, dürften sich noch rund 150 000 von ihnen im Bundesgebiet aufgehalten haben, von denen etwa ein Drittel immer noch in Lagern lebte. Vom DP zum „heimatlosen Ausländer“ Mit dem „Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet“ vom 25. April 1951 wurde in der Bundesrepublik ein spezieller, im Vergleich zum internationalen Flüchtlingsrecht großzügiger Rechtsstatus für die DPs geschaffen. Er glich sie zwar in weiten Bereichen der rechtlichen Position der Bundesbürger an, führte aber eben gerade nicht zu einer vollständigen Gleichstellung mit deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen. Entschädigungsansprüche regelte das Gesetz nicht. Das führte angesichts einer restriktiven Wiedergutmachungspraxis deutscher Verwaltungen und Gerichte in der Folgezeit dazu, dass viele „heimatlose Ausländer“ keine Entschädigung dafür erhielten, was sie während der nationalsozialistischen Diktatur erlitten hatten. Das Verhältnis der deutschen Bevölkerung zu den DPs war in der unmittelbaren Nachkriegszeit in aller Regel von Abwehrhaltungen und Vorurteilen geprägt. Die diskriminierende nationalsozialistische Rede von den „Untermenschen“ aus dem Osten tat dabei ebenso ihre Wirkung wie die verallgemeinerten und Schrecken verbreitenden Nachrichten über gewalttätige Ausschreitungen und Plünderungen befreiter Zwangsarbeitskräfte nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur. DPs galten weithin als unter der Obhut der Alliierten stehende Privilegierte, die der deutschen Polizeihoheit entzogen waren. Nur selten ist in der deutschen Nachkriegsgesellschaft in den DPs mehr gesehen worden als ein Besatzungsproblem – ihr Schicksal als Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft wurde weithin verdrängt und verschwiegen. Lesetipp Wolfgang Jacobmeyer, Vom Zwangsarbeiter zum heimatlosen Ausländer. Die Displaced Persons in Westdeutschland 1945 1951, Göttingen 1985 Internettipp Zum Wortlaut des „Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet“ von 1951 siehe den Code 32017-19. i Holzschild am Eingang des Lagers Föhrenwald. Foto von 1951. 32017_1_1_2016_Kap2_138-203.indd 179 04.05.16 10:39 Nu r z u P üf z ck en Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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