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337Der Zweite Weltkrieg und seine Folgen M3 Ziele der Besatzungspolitik Heinrich Himmler formuliert in seiner Denkschrift „Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten“ vom 15. Mai 1940: […] [D]enn nur dadurch, dass wir diesen ganzen Völkerbrei des Generalgouvernements von 15 Millionen und die 8 Millionen der Ostprovinzen aufl ösen, wird es uns möglich sein, die rassische Siebung durchzuführen, die das Fundament in unseren Erwägungen sein muss, die rassisch Wertvollen aus diesem Brei herauszufi schen, nach Deutschland zu tun, um sie dort zu assimilieren. […] Eine grundsätzliche Frage bei der Lösung aller dieser Probleme ist die Schulfrage und damit die Frage der Sichtung und Siebung der Jugend. Für die nichtdeutsche Bevölkerung des Ostens darf es keine höhere Schule geben als die vierklassige Volksschule. Das Ziel dieser Volksschule hat lediglich zu sein: Einfaches Rechnen bis höchstens 500, Schreiben des Namens, eine Lehre, dass es ein göttliches Gebot ist, den Deutschen gehorsam zu sein und ehrlich, fl eißig und brav zu sein. Lesen halte ich nicht für erforderlich. […] Die Bevölkerung des Generalgouvernements setzt sich dann zwangsläufi g nach einer konsequenten Durchführung dieser Maßnahmen im Laufe der nächsten 10 Jahre aus einer verbleibenden minderwertigen Bevölkerung, die noch durch abgeschobene Bevölkerung der Ostprovinzen sowie all der Teile des deutschen Reiches, die dieselbe rassische und menschliche Art haben […], zusammen. Diese Bevölkerung wird als führerloses Arbeitsvolk zur Verfügung stehen und Deutschland jährlich Wanderarbeiter und Arbeiter für besondere Arbeitsvorkommen (Straßen, Steinbrüche, Bauten) stellen; sie wird selbst dabei mehr zu essen und zu leben haben als unter der polnischen Herrschaft und bei eigener Kulturlosigkeit unter der strengen, konsequenten und gerechten Leitung des deutschen Volkes berufen sein, an dessen ewigen Kulturtaten und Bauwerken mitzuarbeiten und diese, was die Menge der groben Arbeit anlangt, vielleicht erst ermöglichen. Nach: Reinhard Kühnl, Der deutsche Faschismus in Quellen und Dokumenten, Köln 31978, S. 328 ff. 1. Fassen Sie Himmlers Ziele stichpunktartig zusammen. 2. Ordnen Sie diese Denkschrift in den Zusammenhang der nationalsozialistischen Expansion ein. Hinweis: Hitler hat der Denkschrift zugestimmt. 3. Vergleichen Sie M3 mit M2. 4. Überprüfen Sie die These, dass bereits innerhalb kurzer Zeit eine weitere Radikalisierung der Besatzungspolitik stattgefunden hat. M4 Diskriminierung und Vertreibung Der britische Wirtschaftshistoriker Adam Tooze schreibt über die deutsche Besatzungspolitik in Polen: [Die] Diskriminierung der Polen, die nun gezwungen waren, für das „Dritte Reich“ zu arbeiten, war beispiellos. „Erfunden“ wurden diese Erniedrigungen hauptsächlich von den Beamten, die im Namen von Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei, handelten. Denn was Polen betraf, verfolgte die SS ihre ganz eigenen ehrgeizigen Pläne. Kurz nach Kriegsausbruch war Himmler zum „Reichskommissar für die Festigung des deutschen Volkstums“ (RKF) ernannt worden. In dieser Funktion war er auch für die „Germanisierung“ der eroberten Gebiete im Osten zuständig, was hieß, dass er alle Juden und so viele Polen wie möglich aus den vom „Dritten Reich“ annektierten polnischen Gebieten „entfernen“ und gleichzeitig eine gewaltige Völkerumsiedlung in Gang setzen sollte. „Volksdeutsche“ aus dem von Stalin annektierten Baltikum und aus Südtirol sollten in die Gebiete umgesiedelt werden, die von Polen und Juden „gesäubert“ worden waren. [Die] Forderung, gewaltige Massen an ausländischen Arbeitskräften ins Reich zu schaffen, war also gewissermaßen eine gute Ergänzung dieses Projektes, da sie Himmler ja die perfekte Rechtfertigung für die Entwurzelung und Aussiedlung von Hunderttausenden Polen aus den vom Reich annektierten Gebieten bot. Ein grundlegendes Problem war jedoch, dass sich die „Hereinnahme“ von „slawischen Untermenschen“ in die „volksdeutsche“ Arbeitskraft ganz und gar nicht mit Himmlers Vorstellungen von einem „rassisch überlegenen“ Staat deckte. Es ist ein deutlicher Hinweis auf die Stimmung, die Anfang 1940 in Berlin herrschte, dass sich Himmler deshalb zu dem Kompromiss gezwungen sah, den Massendeportationsprozess von Juden und Polen in das Generalgouvernement zu drosseln. Adam Tooze, Ökonomie der Zerstörung. Die Geschichte der Wirtschaft im Nationalsozialismus, München 2007, S. 421 (übersetzt von Yvonne Badal) 1. Geben Sie mit eigenen Worten die rassischen Vorstellungen der NS-Führung wieder. Ziehen Sie dazu auch die Informationen aus M3 heran. 2. Erörtern Sie den Widerspruch zwischen den ökonomischen Erfordernissen der deutschen Kriegswirtschaft und dem offenen Rassismus des Regimes. 5 10 15 20 25 30 5 10 15 20 25 30 32017_1_1_2016_Kap3_260-357.indd 337 04.05.16 10:45 Nu r z u P üf zw ck en Ei ge nt um d es C .C . B uc hn er V er la gs | |
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