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Erwartungshorizont Zu Aufgabe 1 • Die Germania stellt die nationale Personifi kation Deutschlands dar. Auf dem Gemälde trägt sie einen Eichenlaubkranz, der für die Treue steht, das Reichsschwert symbolisiert Wehrhaftigkeit und Kampfbereitschaft. Um das Schwert ist aber ein Hanfzweig gelegt, der für die Friedensliebe steht, d. h., das Schwert soll nur zur Verteidigung und nicht ohne Not angewendet werden. Die deutsche Fahne (schwarz-rot-gold) ist das Symbol für die Einheit. Auf der Brust der Germania ist ein Doppeladler abgebildet, der für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation steht und der seit Kaiser Sigismund (1368 1537) in dieser Form verwendet wird. Hinter der Germania geht die Sonne auf, die eine neue Zeit symbolisiert, ihr Blick ist in eine unbestimmte Zukunft gerichtet. Links zu ihren Füßen liegen die gesprengten Fesseln, ein Zeichen für die Freiheit und für die erfolgreiche Revolution. • Die jeweiligen Symbole stellen eine Mischung aus politischen Forderungen und moralischen Tugenden dar. Politisch sind Schwert, Friedensliebe und gesprengte Fesseln, die Treue ist eher ein ethischer Wert, bei dem aber unklar ist, worauf er sich hier konkret bezieht. Mögliche Kategorien sind hier die Treue zum Vaterland, zum Volk, zur Regierung, zur (noch zu schreibenden) Verfassung oder zu bestimmten Wertvorstellungen. Von allen Symbolen ist dies das am wenigsten eindeutige. Einheit und die neue Zeit können hingegen – abhängig vom jeweiligen Zusammenhang – sowohl als politische als auch als moralische Kategorien verwendet werden. Berücksichtigt man die „Offenheit“ von Symbolen (siehe hierzu Seite 266), handelt es sich eindeutig um einen gelungenen Versuch, integrierend zu wirken. Zu Aufgabe 2 • Piłsudski stellt sich selbst als zentrale Figur der polnischen Unabhängigkeit dar, als ob er der einzige gewesen wäre, der diese erkämpft hätte. Andere zentrale Figuren, die ebenfalls für die Unabhängigkeit Polens gewirkt haben, wie z. B. seinen großen Rivalen Roman Dmowski mit seinen Nationaldemokraten, erwähnt er nicht einmal am Rande. Auch verschweigt er offenbar bewusst, dass seine Truppen später in den Nachkriegskämpfen keineswegs die einzigen polnischen militärischen Einheiten waren, sondern dass beispielsweise auch die in Frankreich ausgebildete Haller-Armee eine sehr wichtige Rolle gespielt hat. Aus seiner Interpretation entsteht der Eindruck, dass von Anfang August 1914 bis zum Ende der Grenzkriege eine einheitliche Entwicklung stets unter seiner Führung bestanden hätte. • Die Einschätzung, dass zumindest bei Ausbruch des Krieges Russland und das Deutsche Reich als potenzielle Partner für eine größere polnische Unabhängigkeit ausschieden, ist weitgehend korrekt. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Piłsudski bereits Anfang August 1914 derart weitsichtig seine Entscheidungen abgewogen und getroffen hat. Wie viele andere Polen dürfte er zwar die Möglichkeiten gesehen haben, die sich für einen neuen polnischen Staat aus dem Kriegsausbruch ergaben, wahrscheinlich hat er aber zunächst improvisiert, um seine Person überhaupt ins Spiel zu bringen und den eigenen, sehr kleinen Handlungsspielraum zu erweitern. Auch der Hinweis, dass er angeblich nur mit sehr wenigen Vertrauten über seine angeblichen Pläne gesprochen hat, deutet darauf hin, dass er in dieser Rede seine Einzigartigkeit und Unersetzlichkeit hervorheben möchte. Diese Personen werden nicht namentlich genannt, Piłsudskis Behauptung ist also nicht nachprüfbar. 489 32017_1_1_2016_Kap5_470-496.indd 489 04.05.16 10:51 Nu r z u Pr üf zw ec ke n Ei ge nt um d s C .C . B uc hn er V er la gs | |
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