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Der Umgang mit der NS-Diktatur – eine Erb-Last der Deutschen? Über sechzig Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist die Erinnerung an die nationalsozialistische Vergangenheit präsent wie kein anderer Abschnitt deutscher Geschichte. Gedenktage, Bücher, Filmprojekte und andere Formen des Erinnerns halten die öffentliche Auseinandersetzung über die NS-Diktatur und die Verantwortung für sie lebendig. Das war nicht immer so: In der unmittelbaren Nachkriegszeit herrschte der Wunsch nach Vergessen und Verdrängen vor. Während auf der einen Seite die noch lebenden Hauptschuldigen sowie die beteiligten nationalsozialistischen Organisationen 1946 vor dem internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg angeklagt wurden, Nachfolgeprozesse sich anschlossen und die Alliierten in unterschied licher Weise Entnazifi zierung und Re-Education betrieben, glaubten viele unmittelbar Betroffene, nach Tod, Krieg, Flüchtlingsund Vertriebenenelend sei es nun Zeit, die Vergangenheit zu vergessen oder durch den Verweis auf die Kriegsverbrechen anderer Nationen eigene Vergehen zu relativieren. So formierte sich in der Bundesrepublik erst seit der zweiten Hälfte der Fünfzigerjahre eine kleine, kritische Masse, die sich mit der „unbewältigten Vergangenheit“ auseinandersetzen wollte. Sehr schwer fi el und fällt dabei das Eingeständnis, dass die Zustimmung der Deutschen zum NS-Regime äußerst hoch war. Seit Mitte der Neunzigerjahre lässt sich eine weitere Zäsur im Umgang mit der NS-Zeit beobachten: Eine neue Form der Auseinandersetzung entwickelte sich, indem immer häufi ger Zeitzeugen mit ihren individuellen Lebenserinnerungen zu Wort kamen. Dabei wurden jedoch nicht nur Opfer, sondern auch Täter und Mitläufer des NSRegimes befragt. In ihren Geschichten trat deutlich zutage, dass ohne aktive Mittäterschaft oder zumindest Duldung einer großen Mehrheit und Mithilfe der beteiligten staatlichen und gesellschaftlichen Institutionen die nationalsozialistische Führungsgruppe die Macht weder hätte erlangen noch erhalten können. Die Gewichtung deutscher Schuld und Verantwortung blieb lange Zeit umstritten. Der Ruf, dieses Kapitel deutscher Geschichte „zu den Akten zu legen“, kommt auch heute noch quer durch alle Gesellschaftsschichten auf. Zwar steht vor allem der Holocaust nach wie vor im Fokus publizistischer und wissenschaftlicher Debatten. Jedoch wurde in den letzten Jahren deutlich, dass sich das Interesse zunehmend auch auf die Deutschen verlagert – und zwar auf die Deutschen als Opfer. Der Historiker Norbert Frei warnt, damit würden die Opfer des NS-Regimes zwangsläufi g zurückgedrängt, und er benennt die gegenwärtigen Chancen im Umgang mit der NS-Vergangenheit: „Das Gebirge an Schuld, das die Deutschen in den Jahren 1933 bis 1945 aufgehäuft haben, bekommt klarere Konturen, je weiter wir uns davon entfernen. Im Lauf der Zeit werden die Fragen zudem immer wieder anders gestellt, manche tauchen überhaupt erst aus der Distanz auf. Insofern glaube ich, dass diese Vergangenheit uns weiter interessieren und auch beunruhigen wird. Angesichts der Dimensionen der Verbrechen wäre alles andere unnormal und überraschend.“ Die Herausforderung wird darin bestehen, der deutschen Opfer etwa von Bombenkrieg und Vertreibung zu gedenken, ohne deren Ursache aus dem Blick zu verlieren. u Welche Merkmale kennzeichneten Ideologie und Herrschaft der Nationalsozialisten, und wie wurde deren Herrschaft gesichert? u Wie reagierte die deutsche Bevölkerung, wie das Ausland auf die Herrschaft der Nationalsozialisten? u Welche Ursachen und Folgen hatten Terror und Gewalt gegen innere Gegner, wie wurde die Eroberungsund Vernichtungspolitik vorbereitet und mit welchen Folgen umgesetzt? u Wie sollten die Deutschen angemessen mit der NS-Zeit umgehen? 333Orientierung N r z u Pr üf we ke n Ei ge nt um d es C .C .B uc hn er V er la gs | |
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